Sidsel Endresen & Stian Westerhus - Bonita (rune grammofon 16.01.2015)


Nicht erst anhand dieses Albums kann festgestellt werden, dass - ganz - Skandinavien und zuerst Norwegen Stolz darauf sein können, die verrückteste Musik des Planeten zu kreieren. Die des Titels Musik würdig ist. Fragt man einen konservativ denkenden Musikfreund, was er von "Bonita" hält, wird sein Kommentar vielleicht sein, dass die Existenz einer solchen Produktion, nur die schiere Existenz, absolut unverzeihlich sei. Und es gibt für die unterschiedlich geprägten konservativen Musikfreunde zum Glück genug eigene Musik, dass die sich nicht in die hörbare Nähe dieser Art Klang begeben müssen. Mal abgesehen davon, dass mir einige konservative Musikmuster nicht fremd oder feind sind, bin ich indes sehr froh, dass die kreative Chaospräsenz des menschlichen Geistes zu solchen extravaganten, reichlich komischen Produkten befähigt ist. Wer so zu abstrahieren weiß, trägt seine Persönlichkeit bewusst. Zu Recht. Schließlich geht es nicht darum, bis in alle Ewigkeit der beste und bravste Interpret historischer Vorgaben zu sein (ohne jetzt den Bereich der klassischen Musik, des Jazz oder des progressiven Rock zu berühren), und alle Kreativität hintan zu stellen. Jeder Tag findet seine Inspiration. So jede, und sei es improvisative Musik.
Sidsel Endresen (voice) und Stian Westerhus (g) spielten 9 'Songs' ein, die zusammen 38:44 Minuten füllen und alles andere als herkömmlich sind. Was hier zu hören ist, gab es bislang nur einmal. 2012 auf ihrem ersten Album "Didymoi Dreams", das bereits für einige Erregung, positiv wie negativ sorgte.
Und gewiss, hier findet nichts statt, was potentielle Hörer in ihren Hörgewohnheiten bestätigt, noch etwas, was auch nur ansatzweise leichtgängig, eingängig oder schlicht nachvollziehbar ist. Hier wird eine kreative Welt aufgemacht, die, ohne laut oder harsch zu sein, eine besonders extreme Avantgarde neu erklärt. Allein der eröffnende Titeltrack schockiert von Beginn an: stoßartige elektrische Gitarrensoundklumpen donnern aus den Boxen, begleitet on Sidrels wie rückwärts 'gesungene' Laute, die eher an mythisch vorreligiöse Feuerbeschwörungen erinnern als an Musik. Was die elektrische Gitarre samt ihren Knöpfen, Reglern und Pedalen hergibt, ist bereits extrem eigenwillig und atonal. Doch die Stimme toppt den Eindruck vollkommen und lässt die Gitarrensounds und alle ihre Eigenarten klein und nachvollziehbar erscheinen. Dieser 'Gesang' ist das schrägste, eigenwilligst radikalste, was Amelodik in 'verrückter' Kunstklangsprache wohl finden kann (nein, es geht wohl immer weiter ins atonale hinaus, hoffentlich).
Mancher der Tracks ist enorm lang, fast 9 Minuten. Da verliert das Zeitgefühl sein Dasein. In den harmonischsten, eingängigsten Momenten erinnert das Duo an Filmmusik. In der wildesten Eskapade vielleicht an Avantgarde Metal oder Harsh Noise - ohne besonders laut zu sein, nur intensiv.
Hier ist nichts einfach und doch ist dies einfach Klang. Stimme in experimenteller Variation und persönlicher Inspiration trifft auf radikal extravagantes Gitarrespiel, zusammen eher Forschungsprojekt als kommerzielle Unterhaltung. Zwei Künstler, die zusammen Musik machen.
Herausforderung gesucht? Bitte!
Eine Tour ist vom 10. - 24. März 2015 geplant.

Bonita
Ripper Silk
Baton
Boom Boom
Knuckle Tattoo
White Mantilla
The Pink Link
Solemn Vista
Blue Punch

stianwesterhus.com/Wordpress
sidselendresen.com
youtube.com/watch?v=4oRMMSK0Yd0
youtube.com/watch?v=nV_bq15WhAk
runegrammofon.com
VM



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