Siddharta "Trip To Innerself" (Trail Records 2009)

Siddharta ist ein beliebter Name. Wie Siddharta Gautama, der Erleuchtete, Buddha, trägt wohl auch die weltbekannte Erzählung von Hermann Hesse um den Brahmanen Siddharta dafür die Ursache. Es gab die Krautrockband Siddharta (LP "Weltschmerz" 1975), es gibt die heute erfolgreiche und bekannte slowenische Rockband gleichen Namens und dann noch die türkische Psychedelic/Ambient Band, deren Album "Trip To Innerself" im vergangenen Jahr veröffentlicht worden ist. Und gewiss hat der Name noch ganz andere inspirative Kreise gezogen.
Die im Jahr 2008 in New York von George Dugan editierten und produzierten Songs wurden bereits im Juli 1998 in Istanbul aufgenommen. Ob die Band die Aufnahmen vorher bereits selbständig veröffentlicht hatte oder ihre Songs diese ermüdend lange Zeit auf ihre Veröffentlichung warten mussten, weiß ich nicht. Die 8 Songs (64:48 Minuten) sind jedoch sehr inspiriert und überzeugend, eine Schande, dafür nicht viel früher ein Label gefunden zu haben.
Der über 10 Minuten lange (gefühlt keine 5) Titeltrack eröffnet die CD imposant. Das ambient-eingängige Motiv hat seine witzigen Schnörkel und eine düstere Basis, auf der die 10 lässig aufgebauten Minuten ultraschnell ins Ohr flitzen. Ethnische Folksounds kratzen im Off vorüber, das gut abgehangene, elegische Rockthema hat das Selbstbewusstsein, schwer und elegant durch seine Minuten zu spazieren. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich den Song einer ganz anderen Band andenken, den crimsonesk-symphonischen Pink-Floyd-Psychedelikern Djam Karet nämlich, die in ganz gleichem Geiste und mit derselben instrumentalen Finesse arbeiten. Die röhrende Gitarre über den flüssig dröhnenden Arrangements stammt aus der gleichen Denkwerkstatt. Und kaum hat der Song sich eingespielt, ist er auch schon wieder vorbei.
Nicht alle der sich anschließenden 7 Songs halten das hohe Niveau. Aber überwiegend hat die türkische Band erstklassige Arbeit geleistet und ein hochwertiges, grandioses Kunstwerk geschaffen, das unbedingt in die Ohren süchtiger Psychedelic Symphonic Prog Freaks der elegischen Schule muss. Manches folkloristische Motiv (etwa "Baroque") ist so wirkungsvoll, dass es immer wieder abgespielt wird (ganz von selbst, fast).
Mit "Nervous Breakdown" ist ein zweiter über 10 Minuten (11:51) langer Song auf der CD (die anderen sind zwischen drei und über 9 Minuten lang). Das Thema rollt sich ebenso lässig und elegisch ab, auf einem stehenden dunklen Ton flirren und blubbern elektronische und psychedelische Sounds aus den Boxen, die über 3 Minuten ausgelassen strömen, bis die komplette Rockband einsetzt und auf erstklassigem Rhythmusgerüst die hinreißende Aufregung ihren guten Fortgang nimmt. Hin und wieder setzen sich neben psychedelischen auch crimsoneske Motive durch, die dem schöngeistigen Harmonieklang einige schräge Disharmonien beimischen, was mehr Farbe und Gewürz ins Spiel bringt und die überwiegend instrumentalen Songs einmal mehr reicher macht.
Ambient + Prog + Psychedelic + World + Ethno klingen hier, wenn die Aufnahmen auch bereits über 11 Jahre alt sind, in dieser Klangepik, modern und zeitlos. Siddharta (und ihre an den Aufnahmen beteiligten Gäste) beweisen sich als inspirierte Klangkünstler mit tiefem Gespür für eigeninspirierten Sound, der äußere Einflüsse wohl zu verarbeiten weiß. Gewiss sind in dem großen Klanggewitter hier und da auch einige Popschnipsel auszumachen. Die machen aber nix kaputt und sind nicht das, was allgemein im blöden Radio läuft. Ohne den Popschmelz jedoch wären Siddharta die ganz großen Meister.

myspace.com/siddhartha_tr
trailrecords.net
VM



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