Short Avant Prog Special

Cowboys From Hell
"Monster Rodeo" (altrisuoni/Schweizer Radio DRS 2007)
"Big Fish" (Double Moon 2012)

Chromb!
"Chromb! I" (Eigenproduktion 2011)
"Chromb! II" (Eigenproduktion 2014)

Le Maschere Di Clara "Anamorfosi" (Black Widow 2011)

Le*Silo "Kesamino" (Arc`angelo/Disk Union 2014)


Cowboys From Hell
"Monster Rodeo" (altrisuoni/Schweizer Radio DRS 2007)
"Big Fish" (Double Moon 2012)

Die waren auf dem Freakshow Artrock Festival in Würzburg 2014. Cowboys From Hell wollen schon 2007 Leuten in den Arsch treten. Das tun sie mit metallisch saftigem Jazzrock, der allein von Saxophon, Bass und Schlagzeug eingespielt wird. Schön schräge Songs, abgefahrene Instrumentalarbeit, hier und da ein paar Texte (etwa über Botox: wir sind gekommen, euch in den Arsch zu treten), aber überwiegend schön abgefahren instrumentales Zeug, das nicht nur schräg, lang ausgearbeitet und deftig gebolzt ist, sondern vor allem: gut strukturiert. 2007 gab es da noch auf "Monsters Rodeo" (54:24 Minuten) dezente Popanbindung, die auf "Big Fish" (52:14 Minuten) 5 Jahre später weitgehend weggespült wurde. Dafür gewinnt schräger Avant-Charakter, der immer noch extravagante Melodiearbeit leistet. Das Saxophon ist in seinem natürlichen Klang nicht zu hören, als wäre ein elektronisches Monster in das Blechblasinstrument gekrochen, gibt es ausgefallene Sounds wieder. Das Getrommel und die wilde Bassarbeit gehen den Weg ins Wilde mit, so dass nur zu hören und staunen bleibt: Spaß mit Avantrock!
facebook.com/cowboysfromhellband

Chromb!
"Chromb! I" (Eigenproduktion 2011)
"Chromb! II" (Eigenproduktion 2014)

Die 6 Songs auf dem Debüt machen noch 45:05 Minuten voll. Was überwiegend an der langen Rille zum Schluss liegt (in der kaum Musik passiert, sondern allerlei Gesang zwischen langen stillen Minuten - aufpassen!). Doch, die anderen Songs tragen ebenfalls dazu bei. Electronics, Saxophon, wilde Rhythmusabteilung und elektronisch verfremdeter Experimentalgesang treffen zwischen Avantgarde und Pop aufeinander. Die haben Spaß an der Sache, kennen sich ganz gewiss in der Electroszene aus und lieben es, ihre schrägen Ideen krachlaut, hochkomplex rhythmusuntermauert und abgefahren mit kreischendem Saxophon und - nettem - Gesang zu zelebrieren. Das hat extreme Peak-Level, in der still der sanfte Bass vor sich hin spielt, schließlich von Fusion-Keyboards begleitet, bis die Band aufwacht. Zuletzt donnert und blitzt alles entsetzlich und der Sound ist voll und satt und schön! Klassische Songstrukturen verlieren hier ihre Wirkung, Chromb!, jetzt weiß ich, wie das lautiert wird, haben ihren eigenen Steinkopf.
Beim zweiten Album haben sie die musikleeren Minuten weggelassen und sind somit bei der Albumlänge von 29:55 Minuten gelandet. Wieder sind 6 'Songs' auf der CD, die es noch einmal schräger und extravaganter angehen, dabei im 'ernsthaft' avantgardistischen Sinn jede Menge verspielten Sinn für Humor entdecken lassen, wenn sie an elektronischen Knöpfen drehen, zwischen Krach und Stille hüpfen und Fragezeichen im Kopf bastelndes Staunen hinterlassen, wie sie ihre Songs so zusammensetzen. Broken Song Language. Die Extraschräge gepaart mit scheinbarer Eingängigkeit und elektronischer Schrägstlage plus deftigem Rhythmusgedonner sind nur allerliebst! Der besondere Tipp: "Il dansait la Chance". Nicht schlimm!
chromb.bandcamp.com

Le Maschere Di Clara "Anamorfosi" (Black Widow 2011)

Lorenzo (p, b, voc) und Laura Masotto (vi, voc) sowie Bruce Turri (dr, voc) bestückten 2011 "Anamorfosi" mit 54:56 Minuten Musik (11 Songs). Crimsoneskes Gedonner mordsheftig gespielt; auf Basis extrakomplexen Getrommels rasen die wilden, verrückten Songs in ihre Minuten. Besonderes Kennzeichen: ausgefallene Geigenarbeit, radikales Bassspiel, hochmelodisch und klassisch inspiriertes Pianospiel sowie satt virtuoses Getrommel treffen in zuhöchst verrückten, kaum erklärbaren, wilden Songs aufeinander. Komponist der Band ist der behandschuht spielende Bassist Lorenzo Masotto, der gute Nerven haben muss. Spielen sich seine Songs doch nicht nur in abstrakt schrägen Gefilden ab, tun sie dies auch noch krachlaut und mit posendem Überkandidel. Braucht es erst etwas, sich in den Sturm der Band einzuhören, lässt - vor allem, wenn man die Band - TIPP! - live auf der Bühne erlebt und sie SEHEN kann! - das Trio bald nicht mehr los und geht tief ins Gedärm. Das Gepolter und Gezeter ist ein echter Nervenkrieg, der nur für Diejenigen erfolgreich Spaß macht, die genug Neugierde aufbringen, dem Sturm zu begegnen. Nun ja, leise Momente gibt es auch. Trotz des gewaltigen Gedonners: Le Maschere di Clara sind wahrhafte Poeten!
lemascherediclara.bandcamp.com

Le*Silo "Kesamino" (Arc`angelo/Disk Union 2014)

Da standen beziehungsweise saßen sie wieder auf Charlys Freakshow Bühne, zwei Jahre nach ihrem ersten Erfolg. Und schon wieder ging es los. 8 Jahre sind vergangen, seit nach dem begnadeten "8.8" (2004) 2006 der zweite Grad in Wahnsinnsmusik namens "3.27830" veröffentlicht wurde. Im Grunde erwartete niemand im Publikum ernsthaft ein neues Album, wenngleich alle Anwesenden dies tief im Herzen doch erhofften. Wie dem auch sei, "Kesamino" heißt es und die erste Runde war nach dem Konzert sofort ausverkauft. (Noch ausverkaufter waren 5-Euro-Scheine, kein Gast konnte so recht mehr bezahlen, bis, ja, bis es dann doch wieder ging, weil irgendwoher neue 5-Euro-Scheine nachwuchsen.)
Miyako Kanazawa (p, voc) aus der Komponistenanstalt, steht für die meisten der neuen Songs ein. Schlagzeuger Michiaki Suganuma trug zwei Ideen bei, ebenso Sitzgitarrist Yoshihiharu Izutsu.
Die 13 Tracks (darunter drei Minischnipsel, in denen die Beteiligten sich jeweils kurz solistisch vorstellen) - also 10 Tracks, die allesamt so um 5 Minuten lang sind - zeigen die Band deutlich gewandelt. Zwar ist der schräge Avantfaktor noch gut ausgebaut, doch in anderem Geist. Längst beherrscht nicht mehr die rockradikale Schärfe die Themen. Was das Trio hier präsentiert, hat vor allem im Gitarrenspiel deutlich verloren, ist die Komplexität weniger 'progressiv' radikal, eher 'avantgardistisch' radikal. Die Kompositionen sind verwischter, weniger 'deutlich' komplex, etwas kindischer und gar rock'n'rolliger, es hoppelt und scharwenzelt zwischen verschiedenartigen Ideen wie besessen hin und her, findet zwar immer wieder zu kantigen Themen und verrücktem melodischen Spiel, ohne aber sofort die Begeisterungstaste zu finden. Die Band lebt von ihrem Namen und den beiden ersten Alben. Die Veränderung ist deutlich - und doch ist das neue Album nicht fad oder schlecht. Die Performance auf der Würzburger Bühne bewies es: einen Auftritt wie 2012 kann Le*Silo, kann niemand wiederholen. Die Extravaganz heute ist anders begründet. Die spielerischen Fähigkeiten sind nach wie vor sehr hoch ausgeprägt und diese Band muss GESEHEN werden!, doch vor allem live gehört werden. Es ist die Performance, die den Song lebendig macht. Die Studioaufnahmen auf "Kesamino" sind im Vergleich zu den beiden Vorgängern trockener und fader, ohne zu enttäuschen. Schwer, solche Monster wieder und wieder zu generieren, wie es "8.8" und "3.27830" sind. Schön wäre es, wenn das nächste Konzert in WÜ, sollte es dazu kommen, einen Mix aus allen drei Alben ergibt. Oder das weird trio bringt was Neues mit. "Kesamino" ist ein Übergang aus Idee und Extra-Extraverrücktheit.

www7.ocn.ne.jp/~tolsilo

VM



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