Shining "Blackjazz" (Indie Recordings/Soulfood, VÖ: 22.01.2010)

"Blackjazz" ist wie Marathon in 100-Meterlauf-Geschwindigkeit. Wer die Scheibe von vorn bis hinten mit guter Laune und Sinn für frisch erblühte Osterglocken durchhält, ist wahrscheinlich schon ernsthaft gefährdet. 57 Minuten donnern die Stressmatadoren mit ihrem Ruckelalbum durch den Hörsinn. Jazz? Kaum. Irgendwas zwischen Electropop auf Metalniveau und nervabtötendem Metalkrach auf Elektro-Speedmetal-Kreisch-Niveau. Die Regler sind permanent über Normal eingestellt, die Jungs machen die Flitterflatter-Sounds im Schnelldurchgang, geben Techno für Progressive aus und erschießen die Opfer am Straßenrand. Wer hier nicht mitkommt, ist nicht erwünscht. Zwischendrin gibt es immer wieder exzellente Avantgarde-Ideen, die durchaus Appetit machen, sich der Lärmbelästigung zu stellen und dem Sturm zu trotzen, den Notenüberfluss zu erdulden, den Popmetalquatsch durchs Gehör ziehen zu lassen, geduldig, wohlgemerkt, um die kleinen feinen Delikatessen aufzufischen, die im fetten Modderpampe-Strom fließen.
Ihr habt Spaß an der Platte? Solange es gute Kliniken gibt! Krach ist eine entzückende Sache, solange der sie genießende Hörer positive Körperchemielustbarkeiten dabei empfindet und ihm die Sinne dahinschwinden, er das Paradiso betritt und den Alltagsgrausound vergessen darf wie den Alltag samt seinem Grau. Die hier sind - für VM - einfach zu, mit Verlaub, bekloppt, machen auf Avantgarde und vergessen überwiegend, dem Krach die notwendige Dosis Komposition beizumischen.
Nicht mal der angejazzte und latent crimsoneske Schrägmetalkrach von "Healter Skelter" gefällt mir, die spielen zwar gut und der Schlagzeuger bekommt den technischen wie den "Ich-halte-auch-bei-dieser-Band-bis-zum-bitteren-Ende-aus"-Orden, aber der Rest ist Stille, leise Stille, ihr Gegenteil, wohlgemerkt. Blöder nervender Krach. "The Madness and the Damage Done" ist kein Neil Young, auch kein Untoter. Kein Hollywood-Country-Schinken, sondern eher Langeweile auf Sample-Mellotron, weil die "Progheadz" das so wollen. Die Band macht danach "Blackjazz Deathtrance" über 10 Minuten lang, um auch wirklich progressiv zu sein. Es jault wie Kreissäge, es donnert gemütlich crimsonesk, mal ein guter Anteil, aber der Geräuschpegel ist derart hoch, dass komponierte Musik mit Sinn für Sound doch schlicht mehr Spaß macht. Immerhin: mittendrin gibt es eine Speedmetal-Avantpassage, die Laune macht und gute Unterhaltung bietet, begleitet wird die Band vom Chor aus der Hölle, der schreit, was von der Kehle übrig ist und den kurzen Exzellenzausflug nicht besonders verschönt. Zum Schluss gibt es Crimson Original mit ihrem 21st Century Schizoid Man in Shining-Manier. Untote singen besser, scheint das Tagesmotto gewesen zu sein.
Ein wenig Hell in dieser Finsternis ist auszumachen, nette, hübsche, schicke, liebliche Musik. Darum ist Krach ohne Komposition. Die Mutter des Sängers wird leiden an dem, was ihr Knabe sich antut, seine Enkel werden ihn seltsam ansehen, wenn sie mit 18 Jahren endlich Opas Jugendsünden genießen dürfen. Oder sie machen Teil 2 davon.
Nix mehr.

shining.no
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VM




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