Shadow's Mignon "Midnight Sky Masquerade" (Progrock Records 2009)

Henning Pauly hat einen Dickschädel. Er macht nur, was er will, donnert mit hartem Rock gegen Mainstream und festgefahrene Vorstellungen. Was angesagt ist, ist in seinen Alben kaum zu hören. Mal setzt er auf Humor, wenn die Masse düstere Klänge intoniert, pflanzt sich hinter den Produzententisch, wenn eine Punkband ihm über den Weg läuft, macht vor Country nicht halt, kann extrem komplex und ganz und gar eingängig, Metal, Prog oder Industrial - da kommen noch ein paar abgefahrene Überraschungen, so viel ist sicher - - !
"Shadow's Mignon" ist eine Zeitreise in ein Land vor unserer Zeit, in der Metal noch keine Kunstrichtung war, keine tausend Gesichter hatte und vor allem für eines stand: Party, Krach, Lärm, gute Laune, Löwenmähnenfrisuren und Konzerte in ausverkauften Arenen. Willkommen im Jahr 1982.
Juan Roos (voc), Stephan Kernbach (keys) und Henning Pauly (Rest) schwelgen nicht nur in Erinnerungen, sondern machen das auch überaus authentisch. Zwar habe ich hin und wieder den Eindruck, dass die 12 Pauly-Kompositionen technischer und anspruchsvoller sind, als es damals gang und gäbe war. Aber der Klang, die Keyboards, die Gitarrensounds, der Gesang, die Arrangements, Stimmung und Nervosität, aufgepeitschte Gefühle und aus der Klassik "inspirierte" Gesänge, Gitarren- und Keyboardsoli - das alles ist stimmig und überzeugt. Nur besser als einst in der originalen Zeit.
Die wenigsten Band damals hatten einen Zehnminüter auf ihren Ultrakurzalben, die meisten Tracks waren drei bis vier Minuten lang und der "Longtrack" brachte es auf 5 oder 6 Minuten. Viel Inhalt war nicht. Die Stimmung zählte. Henning Pauly und Company schmeißen heute geliebte Inhaltsfülle rein, und logo haben sie einen echten Longtrack, der genau 4 Sekunden über Wasseroberkante hinaus ragt. Es gibt authentische Balladen, rasante Rocker, Teenagergefühlsdruck und selige Schmonzetten. Alles da. Pauly erweist sich wieder mal als Spürnase gegen den Strich, der mit Lust und Ideenreichtum Kompositionen erdenkt, wie Politessen Strafzettel verteilen.
Cooles Album. "Play it loud" habe ich zwar noch nicht gelesen und das fehlt, aber vielleicht habe ich meine Brille mal wieder unter das Toupet gelegt, wo die Zähne sind, und mit dem Rollator komme ich da so schnell nicht hin, ich müsste auch erst das Hörgerät ausmachen, das fiept so, weil der Kopf wie immer bei kleinster Bewegung wackelt, dass die Welt wahnsinnig anzusehen ist, und die künstliche Kniescheibe muss geölt werden, wie lange war ich nicht mehr in der Küche? Mein Gott, ist das so lange her, dass ich jung war?

henningpauly.com
juanroos.de
myspace.com/shadowsmignon
progrockrecords.com
VM



Zurück