SBB "Iron Curtain" (Metal Mind Productions, VÖ: 26.01.2009)

Die meisten alten Rockbands, die es zu einer Wiedervereinigung bringen, machen ein Album und verschwinden dann für immer von der Tonfläche. Wenige nur, wie SBB, spielen weiterhin Alben ein, als sei es das normalste der Welt, Jahr für Jahr die Kreativität neu zu beweisen.
Zu Józef Skrzek (keys, b) und Apostolis Anthimos (g) ist, jetzt schon eine Weile, der ungarische Schlagzeuger Gabor Nemeth gestoßen, der für ich-hab's-vergessen, mehrere Bands, getrommelt hat. Das Trio wird mit dem Album erneut auf Tournee gehen, was es, wenn ich mich nicht irre, gerade im letzten Jahr (oder war es das Jahr davor gewesen?) erst mit dem letzten getan hat.
"Iron Curtain" ist weitaus mehr als "The Rock" ein ROCK-Album geworden. Die Songs sind kürzer, kompakter. Zwar "rocken" die angejahrten Jungs nicht mehr wie in den Siebzigern, wo sie ihre Songs live virtuos schlachteten und mit enormem Druck neu zusammenpressten. Die Stücke sind nachdenklich, haben eine melancholische, sanfte Seite. Aber ihre Kompaktheit, ihr Aufbau kommen gut zur Sache. Zudem singt - nein, brüllt Chef Skzrek wie lange nicht mehr. Opener "Iron Curtain" wird, das ist sicher, der Hit des Albums. Der Song hat es faustdick hinter den Ohren. Das Motiv ist genial, die Ausarbeitung sparsam, aber wirkungsvoll, die instrumentale und lautmalerisch vokale Ausarbeitung spricht von Kraft und Dynamik. Zweiter Hit dürfte "Camelele" werden. Eine jazzige Ballade, deren Harmonien nicht von dieser Welt sind. Fast ein Blues, diese lässige Note, die eine kühle und klare Songsprache hat, deutlich nach den Siebzigern klingt und sonst heute wenig so konkret und überzeugend zu finden ist. Schöne Gitarrenarbeit, schönes Pianosolo, gelungen flüssige, knackige Schlagzeugarbeit - und dann dieser Harmoniehöhepunkt - alle Achtung!
Die Songs sind zwischen 4 und 6 Minuten lang, wirken jedoch viel kürzer. Die polnische Sprache springt nicht wie Faust ins Gesicht, sondern passt hervorragend zur Musik. Zwar verstehe ich nicht ein Wort, aber das ist mir Wurscht. Macht einfach Laune, den Songs zu lauschen. Selbst dann, wenn SBB poppiger werden, wie im vierten und im letzten Track.
Altersweise? Gewiss, aber das längst nicht allein. Was sollten sie machen außer Musik!?! Die Band hat es drauf, wird in Ehren alt, grau und faltig und hört einfach nicht auf. Wer den Namen schon mal gehört hat, ansonsten aber nichts mit der Band anzufangen weiß, dem seien die mittleren siebziger Alben empfohlen, vor allem die mörderischen Livealben aus dieser Zeit. Die lässigen neuen Alben haben eine ganz andere Qualität. Sie sprechen vom Überleben. Und von der hohen musikalischen Kunst, die erhalten bleibt, ohne sich vom Pop des Zeitgeistes anstecken zu lassen. Nix doll Prog, nix doll Jazzrock, und dennoch enorm eindrucksvoll.

sbb.pl
metalmind.com.pl
VM



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