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Savoy Brown "Blue Matter"/"A Step Further" (Decca 1969/70, BGO 2005)
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Die britische Bluesrocklegende Savoy Brown hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Etliche Besetzungswechsel haben sich auf den Stil der Band ausgewirkt. Noch während der Aufnahmesessions zu "A Step Further" im September 1969, der zweiten CD dieses Doppels, jammte die halbe Band spontan und nahm daraufhin ein Rockabilly Album auf. Daraufhin löste sich dieser Teil aus Savoy Brown und gründete Foghat.
Aber immerhin gibt es Savoy Brown auch heute noch, Bandgründer und Gitarrist Kim Simmonds tritt immer noch mit seiner Band an.
Bis Ende 1968 hatten Savoy Brown ihre ersten beiden Alben veröffentlicht, "Shake Down" (1967) und "Getting to the Point". Kim Simmonds (lead-g), Lonesome Dave Peverett (voc, g), Chris Youlden (voc, g), Tony Stevens (b) und Roger Earl (dr) sowie Bob Hall (p), der hin und wieder mit der Band arbeitete, spielten 1968 die dritte Platte "Blue Matter" ein.
Zur selben Zeit veränderte sich die populäre Musik gewaltig. Traditionelle Wege wurden aufgebrochen, die Musik expandierte und explodierte, immer mehr Bands spielten immer verrückteres und ausgeflippteres Zeug. Songlängen konnten plötzlich nicht lang genug sein, die Musik wurde komplexer und anspruchsvoller, wer was auf sich hielt, spielte so eigen und extravagant wie nur möglich.
Savoy Brown machten auch einen Schritt in diese Richtung. Ihre Songs wurden eigenartiger, bekamen Ecken und Kanten, ohne die Vorliebe zum Blues zu leugnen. Schon Opener "Train To Nowhere" zeigte, was in der Band steckte, zu welchen Ideen sie fähig war. Der simpel klingende Track ist ein Hit, verblüffend in seiner Schlichtheit und doch absolut überraschend. Seltsam schräge Bläsersätze attackieren die Band und bringen eine gar komische Note in das urige Stück.
Die sich anschließende Bluesballade "Tolling Bells" setzt auf das Piano und untermalt das melodische Motiv mit witzigem Rhythmus. In "She's Got A Ring In His Nose And A Ring In Her Hand" wird der jazzige Blues zum Heavyrock und im Anschluss jault der "Vicksburg Blues" mit Pianobegleitung nach ganz historischem Vorbild. "Don't Turn Me From Your Door" ist die Heavyversion des John Lee Hooker Klassikers mit rollenden Gitarrenakkorden und wilden Soli.
Die 2. LP-Seite war die große Überraschung. Sänger Lonesome Dave Peverett, der stets mit Zylinder und Zigarre auftrat, lag mit Grippe im Bett, Chris Youlden hatte das Mikro übernommen. Die drei langen Songs sind schwere und zähflüssige Bluesrocker, die der elektrischen Gitarre viel solistischen Raum lassen, was vor allem im "Louisiana Blues" von Muddy Waters über 9 Minuten lang heftig und ausgelassen zelebriert wird.
Die schneidenden Gitarrentöne sind schwer beeindruckend. Während die Band im Hintergrund den langsamen Boogie mörderisch fett spielt, zerstückelt Kim Simmonds die schweißgetriefte Luft auf der Bühne - wären Savoy Brown ohne Jimmy Page und Led Zeppelin dazu auch in der Lage gewesen?
Die zweite CD des Doppelpacks fasst das 1970 veröffentlichte Nachfolgealbum zu "Blue Matter", "A Step Further". Ähnlich wie der Vorgänger war auch "A Step Further" Mischung aus Studio- und Live-Album.
Nach dem simplen und perfekten "Made Up My Mind" gibt es in "Waiting In The Bamboo Grove" fette Bläsersätze, die der Struktur des flotten Stückes interessante Facetten geben. Ähnlich und doch ganz anders geschieht das in den beiden folgenden "Life's One Act Play" und "I'm Tired/Where Am I", in denen Streicher und Bläser für neue, orchestrale Töne sorgen. Das verwässert den harten Rock der Songs nicht und gibt ihnen einen Hauch von Progressive Rock. Aus anderer Perspektive betrachtet sind die neuen Töne aber nur halbherzig eingebracht, der Bluesrock ist nach wie vor bestimmend und die Streicher und Bläser eher schmuckes, modernes Beiwerk, ohne Savoy Brown nun als wirklich progressiv oder besonders extravagant zu präsentieren.
Die zweite LP-Seite füllt der 22-minütige "Savoy Brown Boogie" mit Teilen der Klassiker Feel So Good, Whole Lotta Shakin' Goin' On, Little Queenie, Purple Haze und Hernando's Hideaway. Chris Youlden lässt seine Rockröhre durch den Song donnern, während die Band, von Kim Simmonds Gitarre angeführt, wilden Heavyrock zelebriert. Zwischendrin geht die Energie schon mal runter, doch nur, um wieder neu zu starten und den Track bis in die letzte Sekunde schwer, wüst und heftig klingen zu lassen. Tolles Teil einer fabelhaften Band.
Lonesome Dave Peverett, Roger Earl und Tony Stevens stiegen nach ihrem spontanen Rockabilly Album "Rocked Out" aus und gründeten 1970 Foghat. Auch Produzent Mike Vernon wurde nicht mehr für Savoy Brown aktiv. Das machte die Band nicht kaputt, zwar stiegen nach dem folgenden Album "Raw Sienna" (1970) bis heute etliche Musiker ein und aus und hat sich der Stil von Savoy Brown im Lauf der Jahre und popmusikalischen Stilwechsel verwässert, so gibt es die Band dennoch bis heute.
Die Aufnahmen wurden digital remastert und sind auf der 2CD in sehr gutem Klang zu erfahren. Tipp für Bluesfreaks und Fans extralanger Gitarrensoli.
VM
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