Satoko Fujii Orchestra Berlin "Ichigo Ichie"
Satoko Fujii Tobira "Yamiyo Ni Karasu"
(Libra Records, 14.07.2015)


Satoko Fujii ist eine stille, zurückhaltende Frau, deren Kommunikation - über das Japanische hinaus - eher wenig ausgeprägt ist. So nüchtern und freundlich die sanft lächelnde, kaum ihr Gegenüber ansehende und spürbar ihrer aktiven Arbeit entgegensehnende Komponistin und Pianistin ist, so kraftvoll aktiv und konzentriert energisch geht sie am Piano und in und mit ihrer Band/ihrem Ensemble in ihrer lebhaften, zuhöchst abstrakten, klugen und radikalen Musik auf.
Satoko Fujii ist seit über 20 Jahren aktiv, tourt weltweit. Gibt Konzerte in kleinen Sälen und großen Häusern. Spielt Avantgarde Rock im Quartett, Big Band Jazz in großen Ensembles, deren zwei japanische, ein amerikanisches und nun berlinerisches es gibt.
Folk Jazz ist auf einem ihrer zahlreichen Alben ebenso zu hören, wie wilder, abstrakte kerniger Avantgarde Jazz oder Rockjazz. Ihre Abstraktionen am Piano, ihre Melodiesprache, das tiefe lyrische Empfinden und bis in hoch kochende, brüllende Spitzen wirbelnde Bandinterplay samt den diversen solistischen Aktivitäten lassen Freunde des radikalen Free Bigband Sounds ebenso aufhören wie Hörer des konzertanten Jazz, des Rockjazz, des Modern Jazz. Satoko Fujii überspült mit ihrer inspirierten, kunstvollen Art des Songwritings und ihrer Art dichter bis zerfasernder Arrangements Abgrenzungen zwischen den Untergenres. Und sie scheut sich etwa nicht, ein 5 Tracks und 54:58 Minuten umfassendes großes Bigband-Werk im ersten Part mit einem Schlagzeugsolo, und "Ichigo Ichie 2" mit einem Unisono-Bigband-Avantrock zu beginnen. Darüber ziehen die melodischen Fäden in weit über 10 Minuten lange Instrumentalexegesen, die in linder Lyrik, schwerer Melancholie, lichter Nachdenklichkeit und äußerst forscher und herzhaft vitaler Dynamik tiefe Eindrücke auskehrt.
Das Satoko Fujii Orchestra Berlin ist mit 12 Musikern besetzt; 7 Bläser, ein Gitarrist, ein Bassist, Fujii am Piano und zwei Schlagzeuger. Satoko Fujiis Ehemann Natsuki Tamura ist mit seiner Trompete dabei, mit Kazuhisa Uchihashi (g) ein weiterer japanischer Musiker, die weiteren Mitarbeiter sind die Berliner Crew. Peter Orins ist ebenso Teil in Fujiis Quartett Kaze.
"Ichigo Ichie" ist in 4 Parts und das abschließende "ABCD" unterteilt. Geschrieben für das 2013er Chicago Jazz Festival, spielte das Berliner Orchester das Werk nun im Studio ein. Satoko Fujii meint, dass sie es mag, in verschiedenen Städten große Orchester an der Hand zu haben, mit denen sie ihrer Musik die Energie und den lebhaften Ausdruck geben kann, deren es bedarf und die sie in der Komposition empfindet und auslotet. Europäische Musiker, meint sie weiter, haben exzellente Technik, was in der langen klassischen Historie liegt, die Ausbildung sei sehr gut und Berlin eine internationale Stadt, weswegen sie gern mit Musikern in Berlin spielt, was nicht bedeuten muss, dass die Musiker echte Berliner sein müssen.
Die vielfachen Stärken der vier Parts des langen "Ichigo Ichie" liegen in der exzellenten Ausarbeitung der Basisthemen in freier, radikaler Expression, wobei das Ensemble unisono, gegeneinander als auch in solistischer Position arbeitet. Das ungemein lebhafte, lyrische und schwer komplexe Werk ist sehr lebhaft anzuhören. Sofort und gut zu hören, dass hier Musiker am Werk sind, die nicht nur wissen, wie ihr Instrument technisch zu bedienen ist, sondern die ebenso viel Inspiration, Intuition und Phantasie mitbringen, das Werk so brodelnd, blühend und ausdrucksstark lebhaft zu machen. Es gibt schon einige exzellente, große Bigband-Alben unter der Leitung und Komposition Satoko Fujiis. "Ichigo Ichie" ist ein freigeistiges, modernes Jazzwerk, das seinen Vorgängern ebenbürtig anzuhören ist und unbedingt zu empfehlen sei.

Damit nicht genug, legt Satoko Fujii gleich ein weiteres von drei für 2015 angekündigten Alben vor. "Yamiyo Ni Karasu" ist das Debüt ihres neuen Quartetts Tobira. Satoko Fujii (p, comp), Todd Nicholson (b) und Takashi Itani (dr, perc) veröffentlichten 2013 als The Satoko Fujii New Trio das Debüt "Spring Storm", dem zahlreiche Konzerte in Europa, Japan und Nordamerika folgten. Ab und zu kam Natsuki Tamura als Gasttrompeter zum Trio dazu, bis er schließlich Teil der Band war. Aus dem New Trio wurde Tobira.
Die 7 Stücke (zusammen 58:23 Minuten) auf "Yamiyo Ni Karasu" schrieb Satoko Fujii klassisch auf Notenpapier, die Band spielt entsprechend nach Noten. Aufgenommen an nur einem Tag, dem 17. Juni 2014 im Systems Two in New York City ist hier ein hochmoderner, rhythmisch rocktechnischer Avantjazz zu hören, der aus kraftvoll markanten Bassmotiven am Piano, virtuos lebhafter und in aller Abstraktion und nachvollziehbaren Melodiesprache kantig schmelzender, nie blumig und stets überbordend lyrischer Kernharmonie und knackig rasanter, vielfach sehr freier Rhythmusarbeit besteht. Aus den Basisthemen kehrt das Quartett in wilder Leidenschaftlichkeit freie Radikale aus, die weit ins Freitonale führen, doch stets von Satoko Fujii am Piano daran erinnert werden, zum Kernthema zurückzukehren und dicht und hochenergetisch, intuitiv in die Musik geschmolzen und wie in Trance zu abstrahieren und solieren. Satokos Pianoarbeit kann ebenso lyrisch zart perlen wie (überwiegend) kernig und forsch die Basisthemen einfordern. Ihre Soli springen hochemotional über den Topfrand und verwildern in bunter Klangsprache enorm eindrucksvoll. Während Bass und Schlagzeug die dichte, brodelnde Erdung übernehmen und stets virtuos ins Melodische wie Solistische eingreifen und hinreißend wundersame Expressivität beweisen, ist Natsuki Tamuras Trompetenspiel von einer sachlichen Expressivität, die wohl zum einen in der Natur des Trompeters und zum anderen in der Technik des Instrumentes liegt. Seine Soli können lyrisch nachdenklich wie ebenso äußerst schnell und humorvoll sein.
Das Quartett muss keine Anstrengung beweisen. Gut zu hören, dass es seit Jahren aktiv zusammenarbeitet. Das Bandinterplay ist organisch verwoben, schön expressiv und radikal, intim lyrisch und herzhaft kernig. Allem voraus sind Satoko Fujiis Kompositionen sehr ansprechend und von erstaunlicher Melodiösität sowie nachvollziehbarer Eingängigkeit. Obschon Satoko Fujii bereits zahlreich Jazz schrieb, ist ihre Inspiration noch stets voll und stark.
"Yamoyo Ni Karasu" ist ein starker Teil in der exquisiten Diskographie Satoko Fujiis, der nur zu empfehlen ist.

satokofujii.com
VM



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