RPWL "Beyond Man And Time" (Gentle Art Of Music, 09.03.2012)

Ganz alte und die jüngsten Pink Floyd stecken RPWL in den musikalischen Genen. Gute Voraussetzung, zwischen Psychedelic Rock und Symphonic Pop wundersam eingängige Spuren zu hinterlassen. Das notwendige Faible dafür und das Geschick für das Handwerk, liedhafte Songs zu schreiben, ist Yogi Lang (voc, keys), Kalle Wallner (g), Markus Jehle (keys), Werner Taus (b) und Marc Turiaux (dr) gegeben, zusätzlich der ausgeprägte Hang zu besonderen instrumentalen Finessen mit samtpfotigen Moog-Soli, exzellent ausgefallenen Synthesizersoli und begnadet jubilierenden Gitarrensoli. "Beyond Man And Time" ist eine Gratwanderung zwischen den sehr sanften, liedhaften, einlullenden Arrangements auf der einen und dem für das liedhafte Format ungewöhnlichen und besonderen langen instrumentalen Ergüssen auf der anderen Seite. RPWL scheinen ihre Interessen voll ausgereizt, die 11 Songs können - zumindest in großen Ausschnitten - dem großen Poppublikum sehr gefallen, vor allem, wenn dies wie die Band aus weitaus rauerer Rockjugend ins kuscheligere Erwachsenenalter gewachsen ist und den Rockbackground nachvollziehen kann, den RPWL nicht lassen, der RPWL nicht lässt. Weite Strecken der neuen Platte sind sehr lyrisch und sanft, poppig, einiges tanzbar und wenn einem solchen Part härtere Gitarrensound zusetzen, bleibt dies wohnzimmerfreundlich und familienkompatibel. Rockfans werden ob des ausgeprägten Kuschelfaktors so einige Längen erdulden müssen, in denen ein ganz anderes Auditorium als das ihre angesprochen wird. RPWL sind Pop.
Und dann ist da die andere Seite. Immer wieder Echos aus der Muttermilch der großen Vorbildband: Psychedelisches, Mellotron, Endsechziger und Endachtziger Arrangements im Geiste Pink Floyds. RPWL kopieren nicht, lehnen sich nur partiell an und machen aus jeder Inspiration stets ihre eigene Idee, ihren eigenen Charakter. Und das kann instrumental in große, epische Weiten entführen, in der hinreißende Harmonien und energische Soli die besondere Herausforderung und Erfüllung sind. Knackige Arrangements, vitales Bandinterplay, locker fließende Songstrukturen auf eingängigem Groove, der immer wieder in Breaks und Rhythmusinterplays aufgebrochen und vitalisiert wird, forsche Dynamisierungen, sphärische Energieeinbrüche, in deren melancholischer Lyrik dunkle Echos lauern, besondere Instrumente an besonderen Stellen: Sitar etwa, orientalische Perkussion, RPWL haben sich wieder einmal sehr viel guten Stoff einfallen lassen. Nicht erst das über 16 Minuten lange "The Fisherman" erweist sich mit seinen vielen guten, gekonnt und forsch arrangierten Ideen und seiner dynamischen Entwicklung als progressives Meisterstück.
Und dann ist da noch die Story. Texte liegen meiner Ausgabe leider nicht bei. "Beyond Man And Time" ist als Konzeptwerk Nietzsches "Also sprach Zarathustra" nachempfunden. Eine auf 2000 Stück limitierte Edition enthält neben der normalen CD ein Hörbuch, das in deutscher und englischer Sprache Musik und die philosophische Thematik verknüpft.
Zitat: "6000 Fuß jenseits von Mensch und Zeit" - so unterschrieb einst Nietzsche die ersten Gedanken zu seinem Hauptwerk "Also sprach Zarathustra". Ähnlich wie bei Nietzsche befindet sich auch in RPWLs Geschichte der Protagonist auf einer Reise und trifft dabei viele - teilweise von Zarathustra adaptierte - Figuren als Hilfe zu neuer Erkenntnis. Dabei ist die Grundforderung zunächst eine so genannte "Umwertung aller Werte" im Rahmen einer neuen Denkkultur. In RPWLs "Jenseits von Mensch und Zeit" befinden sich bereits Wesen höheren Denkens, die den Protagonisten auf seinem Weg gleichnishaft begegnen: der Wärter an der Höhle, der freiwillig Blinde, der Wissenschaftler, der hässlichste Mensch, der Schaffende, der Schatten, der Weise in der Wüste, der Fischer. RPWLs Konzeptalbum endet wie Nietzsches Zarathustra in einer ersten Bilanz, dem großen Mittag."
So aufwendig und von großem Konzept die Story, ist sie nur ein Teil des Werkes. Die Hauptsache ist die musikalische Umsetzung. Und die hat es wie der Gedanke der Geschichte in sich. "Beyond Man And Time" hat viele Facetten und kann mich vielfach überraschen und partiell verblüffen. Ganz besonders ist neben dem großartigen "The Fisherman" der erste Longtrack "We Are What We Are" gelungen, und da vor allem das hinreißende, überraschend intensive Tastensolo. Das überwiegend sehr zarte und ‚weiche' Arrangement ist für mich persönlich eine große Hürde, weil etliche Ideen seicht und zu poppig wirken. Dennoch sind so viele gute Klänge enthalten, das die CD in Sammlung und Auto wandert (und vor allem die Sammlung steht stets und immer wieder vor ihrer kritischen Durchsicht).

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gentleartofmusic.com
VM



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