RPWL "the rpwl experience" (Inside0ut/SPV/Tempus Fugit, VÖ: 29.02.2008)

An heutigen Bands aus dem weiten Prog-Spektrum, wie etwa RPWL, ist gut festzustellen, wie vielfältig Rockmusik mittlerweile ist, und wie riesig der potentielle Fundus an Genre-internen Inspirationsmöglichkeiten. Es sprudelt im neuen Werk "the rpwl experience" nur so vor Varianten von altbekannten Harmonien und Arrangements. Bei RPWL besonders von Pink Floyd, aus allen Phasen von Pink Floyd; zudem auch von der Manfred Mann's Earth Band. Aber egal, woraus RPWL wie stark Inspiration beziehen, sie wissen mit großem Geschick eigene Songs daraus zu machen, die markant und kraftvoll genug sind, für sich selbst zu stehen.
Eines der Stücke auf "the rpwl experience" heißt "this is not a prog Song", was definitiv stimmt. Ebenso würde ich RPWL insgesamt, überhaupt und sowieso nicht zum Prog zählen, zum weiteren Prog-Spektrum vielleicht. Die süddeutsche, überhaupt sehr von Pink Floyd beeinflusste Band spielt symphonisch-liedhaften Rock zwischen Pop und Metal, gewiss mit so etwas wie Prog-Anteilen, die, wenn anwesend aber nicht bestimmend sind. Vieles gilt heute als Prog, was einst, zu Beginn, nicht als "progressiv" gegolten hätte, sondern als Mainstream. Egal Schublade, zur Musik:
Die 10 neuen Songs haben genug Eigenart, nicht als Mainstream gestempelt zu werden. In quasi jedem Song gibt es instrumentalen Freiraum, den die Band mit Bravour ausfüllt: lange Gitarrensoli, lyrische Synthesizer-Passagen, sanfte Partien mit akustischer Gitarre. Der Rhythmus ist kraftvoll, ohne exaltiert zu sein. Die Songs sind eingängig, ohne schlicht zu sein, die Arrangements flüssig, ohne am Ohr vorbeizugehen. "Breath In, Breath Out" etwa hat mit seiner laut schrammelnden Gitarrenwand Radio-Charakter. Dieser Eindruck vermittelt sich in der Folge noch einige Male. Und doch ist der Track wie folgende keineswegs blöd.
Epische Größe, von Synthesizern und Gitarren auf großem Rhythmus getragen, zeigt "Masters of War", fast meine ich, sehr ähnliches bereits auf späten Pink Floyd Alben vernommen zu haben. "This is not a prog song" passt wieder ins Radio und wird besonders und gewiss Kritiker erfreuen, nettes ausgeflipptes Ende, möchte ja mal wissen, wer da im Off zitiert wird...
"Watch Myself" hat wieder diese RPWL-typischen melodisch weichen Gesangslinien mit sanft intoniertem Gesang. Das symphonisch-poppige Arrangement trägt die ganzen sechs Minuten über. Im Kontrast dazu wartet "Stranger" mit Metalriffs über Kriegsgetön auf, das Synthesizer-Solo im instrumentalen Part hat seine inspirative Wurzel in "Father of Day, Father of Night" von Manfred Mann, die sich anschließende Orgel-Harmonie ist einem grandiosen Part von "Atom Heart Mother" von PF nachempfunden. Die schwer im Raum stehenden Mellotron-Klänge sind ein weiterer Grund, sich diesem Track intensiv zu widmen.
Doch der Höhepunkt auf "the rpwl experience" steht noch aus. Das melancholische "River", erst recht schlicht, aber wirkungsvoll, findet schließlich zu einer genialen instrumentalen Stimmung. Diese mystische Note hat ungemein Kraft und melancholische Tiefe. Zum Versinken!
"Choose What You Want To Look At" ist ein nervöser Alternative-Song, hart, zerfahren, schnell, druckvoll, neurotisch - und mit eingängigem Refrain. Nachdenklich und eingängig leise, zum Mitpfeifen, lässt der symphonische Popsong "Turn Back The Clock" die CD auslaufen.
RPWL sind RPWL. Wer die Band kennt, weiß, was ihn erwartet. Sie haben ihre musikalische Heimat längst gefunden und sie sind gut in dem, was sie tun. Vor allem wohl werden Neoprog-Fans, die sanfte Keyboardepen bevorzugen, in diese Klangwelt genussumwittert einsteigen. Und gewiss die nimmermüden Kampfhunde, denen Pink Floyd in die Gene gesickert ist. Aber RPWL haben auch einen Draht in andere Gefilde, zu weicher Popmusik etwa, oder zum aktuellen Alternative Sound. Wer unter Prog jedoch "komplex" versteht, und ihr wisst, was ich damit meine, dem ist diese Expedition gewiss zu luftig. Das ist kein Qualitätsmangel, das ist einfach eine andere Baustelle.

rpwl.de
VM



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