Roger Davidson Trio "Live at Caffe Vivaldi Vol 2" (Soundbrush Records, 01.04.2015)


In der Bar werden Geschäfte gemacht und Verbrechen verabredet, Ehen angebahnt und gebrochen. Einsame Herzen wandern für eine Nacht in ein fremdes Bett und im fahlen Licht des plüschigen Ambientes finden Blicke und Hände an versteckte, gefährlich verführerische Orte. Die Band nimmt alles und nichts davon wahr. Der Mann am Bass hat den besten Überblick, doch er ist mit den Gedanken woanders, Briefmarkensammlung, Fotomotive, Spielzeugeisenbahn. Der Schlagzeuger denkt, rackert und arbeitet knifflig simple Takte aus, die er mit Jazzbesen und leisem Ton dem Pianisten unterhebt. Der wiederum denkt nur in Noten, in Tasten und Pedalen, in Tönen und Melodien. Und wenn ein Gedanke einmal ausrutscht, dann nur, um zum Wein zu greifen und ein paar Tropfen zu schlürfen.
Und während die liebeshungrige Verbrechermeute am Abend dem Barbesitzer das Einkommen verbessert, fahren sanftmütige Jazzperlen in den Raum. Brasilianische Klänge, mal temperamentvoll und lasziv, dann erotisch und prickelnd, oder verträumt und nachdenklich. Hier soliert der Bassist, dort der Pianist, sogar der Schlagzeuger darf ein paar Takte anheben und ausleben. Es geht nach "Ipanema", dass Antonio Carlos Jobim die notwendige Würdigung erfährt, doch überwiegend ist der Pianist die zentrale Figur im musischen Geschehen. Es sind seine Songs, die das Publikum verführen, über Schmeichelei und Schüchternheit anmutige Klänge streuen, dass die Blicke sich ertragen, dulden und herausfordern. Der Pianist kennt dies alles schon lange. Die Bar ist sein Leben, hier ist sein Arbeitsplatz, hier komponiert und probiert er. Und seine Mitstreiter, mit klarer Tendenz zur illustren Stille, unterstreichen das tonale Plätschern und Perlen, auf dass dieser Abend, vielsprechend begonnen, so erfolgreich wird, wie zahllose zuvor und - hoffentlich - zahlreich sich anschließende weitere.

soundbrush.com
VM



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