Marc Rizzo "Colossal Myopia" (Shrapnel/Mascot Records, VÖ: 25.07.2005)

"Colossal Myopia" ist eine von den Platten, die man einmal durchhört, sich fragt, was das da eben gewesen ist, sie wieder und wieder hört und plötzlich merkt, dass man davon nicht mehr loskommt. Ins Auto kommen bei mir nur die absolut besten Scheiben (meiner unbescheidenen Meinung) und ohne dieses Teil fahre ich nicht mehr.
Marc Rizzo ist ein junger Metalgitarrist, der erst bei IL Nino spielte und derzeit bei Soulfly engagiert ist (deren neue CD auch demnächst veröffentlicht wird).
"Colossal Myopia" ist das Solodebüt des südamerikanischen Gitarristen. Die 12 intelligenten Songs klingen, als wäre Rizzo schon 100 Jahre im Genre aktiv; virtuos und kraftvoll und in allem sehr überzeugend. Rizzo spielt elektrische und akustische Gitarren und mixt stilistisch ein weites Feld zwischen Heavy Metal, Klassik, Flamenco und Jazz.
Opener "Kilocycle Interval" beginnt als knüppelharter Metal. Auf einem dichten, variationsreichen Rhythmus kocht der Mann die Saiten, als sei er Steve Vai oder ein Gitarrengott, nur dass er sich nicht im melodischen Powermetal aufhält, sondern klassischen Metal mit einem Hauch Folklore und Prog spielt, ohne Bombast und Pathos nahe zu kommen. Das komplett instrumentale Album ist sehr emotionsreich, das findet sich aber eher in den akustischen und Flamenco-Parts. Die tadellos abgehangenen und lebhaften Songs gehen zwar tief ein und beleben starke Empfindungen, aber sie spielen nicht vordergründig mit Emotionen, wie es oft im Powermetal geschieht. Nach zweieinhalb Minuten verändert der Opener sich. Plötzlich bricht der Song ein und springt auf akustische Instrumente über. Doch nur für kurz, dann hat das harte Metal das Teil wieder im Griff, bis jedoch die akustischen Instrumente für weitere 3 Minuten den Song übernehmen und ein himmlisches Geflecht aus Flamenco und Jazz spielen. Ein Traum von einem Song, dem ich völlig erlegen bin. In den weiteren Songs setzt sich der Wechsel von akustisch-folkloristischem Liedgut und elektrischem Metal nicht unbedingt fort. Zwar sind einige weitere Songs enthalten, die beide Stile pflegen, jeweils reif und außergewöhnlich magisch ineinander verflochten. Doch die meisten Tracks sind entweder oder. Während die erste Hälfte der CD mit mehr Metal aufwartet, nimmt im weiteren Verlauf das akustische Material an Menge zu, nicht jedoch, ohne immer wieder elektrische Songs zu präsentieren.
Fabelhaft auch die elektrischen Gitarrensoli in den zum Ende sehr folkloristischen Flamenco Songs. Umgekehrt sind die Flinkefinger Gitarrensoli auf akustischer Gitarre in den harten Metal-Songs von kerniger Gestalt und großer Aussage. Was sollen die vielen Worte! "Colossal Myopia" ist ein Meilenstein, vielleicht so etwas wie der Beginn der Zusammenarbeit von Metal und Worldmusic. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Die Platte kann man nur lieben. An alle Fans, Stil übergreifend, dringende Empfehlung!

mascotrecords.com
VM



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