The Richard Leo Johnson Trio "Poetry Of Appliance" (Cuneiform Records 2004)

Ob Cuneiform jemals vorher eine so leise, akustische, melancholische Produktion veröffentlicht hat? Das Gesicht des Labels hat viele Züge, alle zusammen sind sie eins, diese Variante habe ich bisher entweder nicht beachtet, oder es gab sie noch nicht. The Richard Leo Johnson Trio spielt fast rein akustisches Liedgut; folkloristisch, melancholisch, leise und ohne großes Pathos. Zwar sind die 8 Stücke alles andere als beliebig oder belanglos, aber sie brauchen ein paar Durchläufe, um hängen zu bleiben, ihre Musikalität und Lebendigkeit zu entfalten. Beim ersten Mal war ich ob der Lyrik enttäuscht, beim zweiten Mal hörte ich weg, danach entdeckte ich Kraft und Flüssigkeit der Songs. Welch eine Vorstellungskraft muss ein Musiker, ein Komponist haben, wenn er sich Musik ‚ausdenkt'! Die 8 Songs wurden im Studio eingespielt, live dürften die Songs viel mehr wirken, weil da dynamische Augenblicksdinge einspielen, die hier im Studio nicht zugelassen sind und die Musik klarer, disziplinierter, aber auch ernsthafter und kühler erscheinen lassen.
Richard Leo Johnson spielt elektrische und vor allem akustische Gitarre, Ricardo Ochoa elektrische und akustische Violine und Theremin, Andrew Ripley Synthesizer und Keyboards. Johnson hat mit Gregg Bendian getourt und im Vorprogramm von King Crimson auf der Bühne gesessen, Ripley ist vor allem in der Kammermusik engagiert und Ochoa an klassischer Avantgarde interessiert. Alle drei sind klassisch studierte Musiker mit ausgezeichnetem technischen Vermögen und großer musikalischer Vorstellungskraft.
Die elegisch-melancholischen Stücke auf "Poetry Of Appliance" sind von tiefer Ruhe und energischer Kraft. Oftmals wirkt die Musik sehr ernst, in aller Lyrik düster und geheimnisvoll. Klanglich exzellent ausbalanciert, zeigt die sanfte bis herbe Melodik Sinn für tiefe und verloren wirkende Minimalexkursionen, die das Trio organisch und gleichberechtigt mit Charakter angeht. Das wirkt sehr eindrücklich, plastisch und in der farbigen Mischung aus folkloristischen, impressionistischen und virtuosen Elementen kultiviert und erhaben. Stilistisch völlig unabhängig kann die Musik Jedem gefallen, der einen Sinn für Ausgefallenes hat und hier die stille Alternative in großer Qualität bekommt.

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VM




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