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Rene Clemencic "Kabbala" (col legno 2009)
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Von Mund zu Ohr - von Ohr zu Mund - von Mund zu Mund... In mehrfacher Hinsicht verdient das vorliegende, im Jahr 1992 von Rene Clemencic komponierte Oratorium "Kabbala", das 1993 erstmals auf col legno veröffentlicht wurde, einem großen Hörerkreis bekannt zu werden, beschäftigte es sich einerseits doch lange vor der hippen Hinwendung der Agente provocatrice der Popmusik zur jüdischen Mystik mit derselben, allerdings in einer Tiefgründigkeit, die jeden etwas mit der Materie Vertrauten in Erstaunen versetzt, was sich allerdings zum Teil erst in der Übersetzung erschließt, wenn man der hebräischen Sprache nicht mächtig ist. So wird neben dem Tetragrammaton, den heiligen Buchstaben und den Sepiroth des Weltenbaumes auch die zahlensymbolische Dimension der Kabbala thematisiert. (Exoterischer Monotheismus findet seinen Widerhall in esoterischem Polytheismus der zehn Gottesnamen, die jeweils verschiedene Aspekte von Göttlichkeit betonen. Der Schöpfer spiegelt sich in seiner Schöpfung und wird somit trotz seiner Transzendenz gleichsam zu deren immanentem Fundament.) Andererseits ist die Zusammensetzung der Singstimmen (zwei Contratenöre, zwei Tenöre sowie ein Bassbariton) relativ ungewöhnlich, da sich Contratenöre im deutschen Sprachraum in jüngerer Vergangenheit erst seit Klaus Nomi und Andreas Scholl wieder einer gewissen Beliebtheit erfreuen. Nicht nur aufgrund der Contratenöre bestehen gewisse Parallelen zu "Flamma Flamma" von Nicolas Lens, sondern auch im Klangduktus, wobei Clemencics Werk eine größere Varianzbreite aufweist. Neben den fünf Sängern besteht das Ensemble aus einem Trompeter, drei Posaunisten und zwei Schlagwerkern, wobei besonders die Percussionabteilung ihre Klangfarben immer wieder in schillernder Weise aufblitzen lässt, so dass das vom formalen Charakter her vergeistigt erscheinende Oratorium wahre Lichtfunken sprüht und dennoch partiell eine meditative Stimmung generiert. Wie bei der Kabbala selbst, muss auch bei diesem Stück Musik ab einer gewissen Ebene ein jegliches Wort verstummen, vermag es aufgrund der Begrenzheit unserer Ratio lediglich diffuse Resonanzphänomene zu erzeugen. Es bleibt dem Interessierten nichts als sich "Kabbala" selbst zu Gemüte zu führen - eine überaus lohnende Übung.
col-legno.com
Frank Bender
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