Renaissance "Innocents & Illusions" (Castle Records 2004)

Wer hätte vor 1969 gedacht, dass Keith Relf und Jim McCarty, die vordem zu den Yardbirds gehört hatten, mit Renaissance eine Band gründen würden, die eher Hippie-Folk als psychedelischen Heavy-Bluesrock spielen sollte. Paul Samwell-Smith, selbst ein alter Yardbird, produzierte das Debüt von Renaissance. Neben Keith Relf (voc, g, harm) und Jim McCarty (perc, voc) gehörten John Hawken (p, harps), Louis Cennamo (b) und Keith´ Schwester Jane Relf (voc, perc) zur ersten Renaissance.
Das Debüt von 1969 hatte überhaupt keine Ähnlichkeit mit Alben von den Yardbirds. Nur 5 lange Stücke füllten die LP. Ein dynamischer Piano-Lauf eröffnet "Kings And Queens", da dürfte so mancher Rocker verschreckt im Plattenladen gestanden haben, als er das hörte. Renaissance spielten Klassik-Rock, symphonisch, immer offen für den Folkrock der Hippie-Ära (die gerade von ihrer Hochzeit abflaute und eine lange Strähne Musiker in ihrem Bann zog). Doch Renaissance ließen sich nicht vergleichen, ihre Songs waren schon wieder der Beginn einer neuen Ära, einer neuen Musik, wie sie von YES, Barclay James Harvest oder Moody Blues gespielt wurde.
Die klassischen Einflüsse gingen so weit, dass Renaissance in ihrem Song "Island" gar Beethoven missbrauchten und auf ganz eigene Art und Weise verkitschten. Doch das war längst nicht das einzige Kriterium. Die Musiker waren hervorragend in der Lage, klassische Einflüsse in eigene Songs zu integrieren und anspruchsvolle Stücke zu spielen. So der 11 Minuten lange Opener oder das ebenso lange, bluesige "Bullet", das die Platte abschloss. Die kürzeren Stücke dazwischen waren romantische Songs, lyrisch und melodisch, die trotzdem rocken. CD1 schließt mit 2 Bonussongs ab, der Single Version von "Island" (ohne die Beethoven-Nummer) und "The Sea", einem kommerziellen Single-Hit.
Auf CD2 ist "Illusion" zu hören, zweites und letztes Album dieser Bandbesetzung. "Illusion" ist viel folkloristischer als der Vorgänger. Opener "Love Goes On" ist ein kurzer Hippie-Folk-Pop-Song, der nichts mit dem ersten Album gemein hat. "Golden Thread" schließt sich an, ein 8minütiger und Klassikdurchzogener Symphonic-Song. Hier wurden die Eindrücke wieder lebendig, die das erste Album vermittelt hatte. Romantisch-lyrische Motive, harmonisch arrangiert. "Love Is All" ist wieder ein kurzer Popsong, dem sich "Mr. Pine" anschließt.
Spätestens jetzt ist die Veränderung bei Renaissance zu erkennen. Es gab weniger Rock, mehr Folk. Die klassischen Einflüsse waren nach wie vor beherrschend. Der gleiche Eindruck zeigte sich beim völlig anderen "Face Of Yesterday". Nur das abschließende 15minütige "Past Orbits Of Dust" rockte heftiger. Hier war die Verbindung von Klassik und Rock gekonnt arrangiert, die wahre Stärke der Band kam zum Zug, Dynamik und Virtuosität bekamen einen ganz neuen Klang. Der CD sind 4 weitere kurze Stücke als Bonus angehängt, die allesamt nicht den hohen Standard der langen Stücke der Band halten können.
Nachdem "Illusion" veröffentlicht worden war, verließen nach und nach alle Mitglieder die Band, bis nur noch John Hawken übrig blieb, der mit neuen Leuten weitermachen wollte. Mike Dunford, Crow, Korner kamen in die Band, doch bevor John Tout und Annie Haslam in Renaissance einrückten, war auch Hawken ausgestiegen. Die weiteren Alben spielte die völlig neue Band ein. Die Ur-Renaissance kamen 1975 wieder zusammen, vereinten sich unter dem Namen Illusion neu und veröffentlichten zwei Alben (nachdem Keith Relf einer Herzattacke erlag, die er sich beim heimischen Gitarrenspiel - Stromschlag - zugezogen hatte).
Die Castle-Auflage erscheint mit aufklappbarem Poster-Booklet, das sehr informativ von der Bandgeschichte berichtet, dazu gibt es Fotos und Kommentare von Musikern der Band. Die Bonussongs runden die Veröffentlichung ab. Das Artwork der beiden LP ist zu einem Bild verschmolzen, das werden die Hardcore-Freaks nicht mögen.

sanctuaryrecordsgroup.co.uk
VM



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