Relocator "Relocator" (Generation Prog Records, 10.02.2012)

Der Name der Band auf dem Cover, die Titel hinten drauf zeigen, wo es lang geht. Relocator sind Jazzrocker. Im Erbe von Derek Sherinian, den sie gnädiger Weise mitspielen lassen, sind ihre verflixt komplex angelegten Songs zwischen Metal, Funk und Fusion orientiert. Zur klassischen Rockcrew Stefan Artwin (g), Michael Pruchnicki (b) und Frank Tinge (dr) gehört Geiger Bartek Strycharski und Tastengast Sherinian. Die handwerklich und technisch dynamisch und virtuos eingespielten Songs haben Schmackes und Feuer, warten - für das komplex orientierte Genre - allerdings kompositorisch mit eher relativ schlichten Songs auf. Schon im vielversprechend benannten Opener "Red Vibes" hat den übelsten Part Gast Sherinian, der klingt, als spiele er in einer 1980er Melodic Kapelle den Klassenclown. Während die Band sich alle Mühe gibt, das Motiv anzutreiben, quäkt der selbstbewusste Amerikaner übel dazwischen und vergeudet den Song. Seine Mitarbeit wird auch in späteren Songs kein Gramm besser, wollte der die Konkurrenz killen, von innen quasi?
Nun, Relocator beweisen Stil und Handschrift, müssen aber unbedingt am Inhalt ihrer Kompositionen arbeiten. Gitarrist Stefan und Geiger Bartek sind viel zu zahm und schüchtern, ihre Soloaktivitäten könnten weitaus mehr, leider wird viel Potential verschenkt. In den Songs gibt es zu viele Allgemeinplätze, zu viel ‚Gedudel', wenig Substanz, wenig Höhepunkt, viele typische Szene-Arrangements und allzu typische Motive, handwerklich technisch gewiss gut gespielt, aber nicht fesselnd, ohne starken Wiedererkennungswert. Da ist viel Masse, die langwieriger klingt als kurzweiliger. "Relocator" sorgt nicht dafür, dass dem Prog-Genre der Makel der Langweiligkeit genommen wird.
Die Songs sind Langstreckenlauf, wo 100 Meter angesagt sind. Die Pistole auf die Brust gesetzt und gefordert, das aller kompositorischer Inhalt, den die Songs aufweisen, in zwei Minuten untergebracht sein müsse, würden sie dies, als gute Handwerker, überlebenswillig ohne Zweifel hinbekommen. Und die Anteile, die nur Länge - und sonst nichts - sind, müssten nicht ertragen sein. Wären ca. 16 Minuten CD-Länge. Gut, manche Jam-artige Partie, in denen Derek X tatsächlich für Furore sorgt und wuchtige Instrumentalpassagen, die plötzlich lebhaft sind, brächten die CD insgesamt etwa auf 30 Minuten - statt auf viel zu lange 61:19. Das Fatale am Progressive Rock Genre ist die Songlänge. Longtracks machen süchtig. Und das zieht nach sich, dass Kompositionen, die diese Länge nicht bedienen können, einfach länger gespielt werden, bis der Braten in Wassersuppe ersoffen ist.
Gewiss hat "Relocator" seine Qualitäten. Doch so hochgelobt, wie über das Album nachzulesen ist, ist die CD nicht. Zum einen fehlt es am Wichtigsten: kompositorischer Magie. Zudem am ideereichen ‚Ausfüllen' der langen Arrangements.
Tipp: den Gast nie wieder einladen, extravagantere Songs schreiben, Soli einstudieren, kürzere, straffere Songs einspielen.

relocator-project.com
generation-prog.com

VM




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