Rainbow "Deutschland Tournee 1976 - Nürnberg Messezentrum Halle, 28.09.1976" (Hummingbird/AFM Records 2007)

Ritchie Blackmore's Rainbow als verlängerter Arm von Deep Purples Dampframmenrock erwies sich als erfolgreich im Mainstream Heavy Rock. Vor allem in Deutschland und in Japan. Rainbow waren schmuseweicher als Deep Purple, melodisch eingängiger, bombastischer, symphonischer. Rainbow bauten erheblich mehr Keyboardsounds in ihre Kompositionen ein und hatten ein Faible für balladeske Stoffe, was die Band in Konzerten in endlosen Songs genüsslich auslebte - und was damals, Mitte bis Ende der 1970er Jahre, gut beim Publikum ankam.
In den 9 Tracks, die auf dieser 2CD enthalten sind, gehen Rainbow erstaunlich weit von der komponierten, von den Studioversionen bekannten Songstrukturen weg und wandern, als würden sie fast verunglücken dabei, durch ziemlich vages Gelände, in dem es über lange Strecken nicht die Bohne rockt, sondern blumige Phantasien entwickelt werden - das Publikum klatschte dennoch mit.
Ein paar Jahre später war es mit der verspielten Live-Arbeit vorbei und die Band rockte knackige Songs kurz und bündig ab, ohne auf kurze, verwegene Soli zu verzichten, ohne aber ausgedehnte Improvisationen, wie sie hier zu hören sind, zu zelebrieren.
Sämtliche enthaltene Tracks sind Bandklassiker. "Killl The King", "Mistreated", "Sixteenth Century Greensleeves", "Catch The Rainbow", "Man On The Silver Mountain", Stargazer", "Still I'm Sad" und "Do You Close Your Eyes" haben viele Minuten Blackmore-Soli, aber auch Cozy Powell darf sein Schlagzeug solistisch traktieren und Tony Carey bringt den Saal mit seinen Bombastorgien zum Dröhnen. Kaum zu stoppen ist der kleine Mann mit der großen Stimme - Ronnie James Dio liebt es vor allem, Tony Carey ins Zeug zu fahren, auch schon mal über 10 Minuten lang.
5 der Songs sind über 10 Minuten lang, am längsten hält es "Still I'm Sad" mit 17 Minuten aus. Und gerade die ausgedehnten Instrumentalparts (in denen Dio weniger Text singt, mehr, lautmalerisch erzählt) haben erstaunlich viel Lyrik, Stille und Sanftheit.
Die Rocker unter den Rainbow-Fans (die es ja auch geben soll…) kommen dennoch nicht zu kurz, zwar geht es nie so hart zu, wie Anfang der 70er bei DP, aber es rockt zur Genüge.
Das Konzert ist in erstklassigem Live-Sound erhalten. Man hat den Eindruck, direkt vor der Bühne zu liegen, mit dem schwarzen Kater auf dem Schoß vor der High End Anlage und die geneigte Dame knabbert an deinen Zehnägeln, während der Wohnzimmersessel kaum je besser Platz bot.
Hummingbird/AFM Records bringen eine ganze Serie von in erstklassigem Sound konservierten Rainbow-Konzerten unters Volk. Süchtige werden wohl zu jeder Aufnahme greifen. Wer nur eine der Konserven braucht und nicht darauf Rücksicht nehmen muss, an welchem besoffenen Tag er damals im Auditorium stand, kann diese CD als Empfehlung verstehen.

VM



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