Quidam "Alone Together" (Rock-Serwis Publishing, VÖ: 05.11.2007)

Quidam waren einst die Helden des polnischen Neoprog. Das ist eine Weile her. Nach personellen und stilistischen Einbrüchen zeigt sich die Band mit "Alone Together" gefestigt, ohne aber wieder in der obersten Klasse zu spielen, deren Qualitätsstandards sie einst selbst hoch angelegt hat.
Die neue Band widmet sich einem Mix aus Neoprog und, so heißt es nun wohl, New Artrock. Der kleine, hübsche Bruder der wilden Heavy Prog Schwester, Neo genannt, ist erwachsen geworden, und hat sich eine Freundin zugelegt, deren Antlitz so fein und zart ist, dass die musische Huldigung ihrer Schönheit nur voll demütiger Hochachtung, gefesselter Zuneigung und unabdingbarer Treue sein kann. Da kann man nicht wie ein Irrer schreien, kreischende Gitarrensoli und schräge Orgelklänge heulen lassen, wilde Jazzattacken und unbeherrschbare Marimba-Orkane wie Kanonen abfeuern. Diese Jugend ist wohl erzogen, ist gebildet, hat ein zartes Gemüt - und Sinn für Stil und Klang. Das hat ihr den Namen New Artrock eingebracht. New - ja. Art - ok. Rock - Denkfehler.
Es geht nicht um Rockmusik. Es geht um lyrische Kunst, die nicht der Väter speckige lange Haare, stinkende Jeansjacke und ausgelatschte Schuhe trägt. Kurz gesagt, es geht nicht um Struwwelpeter, es geht um die Goldmarie. Stilistisch passt das wohl zum Neoprog, der selbst auch nur rockverwandt ist, ein symphonischer Ableger. New Artrock ist dessen kleine popverliebte Freundin, die jedem Krach und jeder Revolution völlig abhold ist. Wie sangen einst die Kinks: The Neo Conservatives. Vielleicht!
Nach diesem selbstmitleidigen Exkurs des ewiggestrigen Old School Heavy Jazz Prog, den Aliens geschrieben haben, die sich nicht ins "normale" irdische Leben integrieren können und deshalb außerhalb der kulturellen Zivilisation versauern müssen, wird nun die Ausführung zu Quidam weitergeführt (das wird immer schlimmer mit dem Mantei...).
Quidam haben sich, um darauf zurückzukommen, mit ihren Neoprog-Erfahrungen nicht in eine Nische zurückgezogen, sondern stürmen nach vorn an die Front, an den Rand der Bühne, dem Publikum zugewandt, präsentieren sie 8 + 1 brandneue Kompositionen, die komplex und lebhaft, poppig und lyrisch, melancholisch und dezent, bombastisch und lebhaft, hart und verspielt sind - und wohl anzuhören. Die englischen Lyrics kommen dem weltweiten Neoprog-Fan zugute, der damit mundgerecht versorgt wird, ohne sich anstrengen zu müssen und im Wohnzimmersessel entspannt diesen harmonischen Klängen lauschen kann, während sein Kätzchen auf seinem Schoß sich weich einkuschelt.
Die Songs haben etwas Edles an sich, etwas Gutes. Man spürt die Überlegung ihrer Entstehung, den Willen, schöngeistige, kulturelle Musik zu machen. Neoprog ist das ganze Gegenteil von harschem Punkrock. Seine Lyrik und intensive Harmoniedichte, seine Notenfülle und instrumentale Beschaffenheit haben Charakter und Stil. Dennoch sind die Songs nicht weichgespült oder auf ein Mainstream-Publikum orientiert. Wer Quidams Songs lieben will, muss sich ihnen intensiv widmen - und ein Gespür für diese anspruchsvollen, wenn auch popverspielten Arrangements mitbringen. Unterstützt wird der geneigte Fan von feinem, druckvollen Klang, der in leisen Momenten jeden Ton perlen lässt und im rockenden Bombastregen erregende Klangfülle bietet. Da saßen die richtigen Leute an den Reglern, die den Ton bedeuten.
Kann man eigentlich kaum was mit falsch machen, wenn man nicht die falschen Vorstellungen hegt. Neoprog + New Artrock, wie werden da die Nachkommen aussehen? Vielleicht spielen die eher wieder mit dem weißhaarigen Opa, dessen Musik so verrückt durch den Garten hüpft?!?

quidam.pl
myspace.com/quidampl
justforkicks.de
VM



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