Procol Harum "Broken Barricades" (Chrysalis 1971/Salvo 2009)
"Live - In Concert with the Edmonton Symphony Orchesta" (Chrysalis 1972/Salvo 2009)
"Grand Hotel" (Chrysalis 1973/Salvo 2009)

Nach den ersten vier Platten der Pre-Prog Band Procol Harum folgen nun die Alben Nummer fünf, sechs und sieben in der Diskographie der Briten aus den Jahren 1971 bis 1973.
"Broken Barricades" wurde in der gleichen Besetzung eingespielt wie sein Vorgänger "Home" und ist wohl das letzte Album der "klassischen" Phase der Band um Pianist, Sänger und Komponist Gary Brooker. Die Songs verblüffen wie die der Vorgängeralben durch ihre beiderseitige Orientierung. Zum einen sind die Songs sehr eingängig und liedhaft, zum anderen komplex und instrumental aufwendig, dabei von großer Harmonie und melodischer Schöngeistigkeit.
Der Rocker "Simple Sister" wird von Brookers Piano und Robin Trowers unnachahmlichem, für Procol Harum erstaunlich harten Gitarrensound bestimmt. Trower rockt mit bluesigem Ton durch die Komposition, während Brooker das ungewöhnliche, lebhafte Pianosolo beiträgt. 5:48 Minuten können schnell vergehen, das beweist der vitale Song immer wieder. Das harmonische "Broken Barricades" schließt sich an, ein Song im alten Geiste der Band, wunderschön. Was nur, könnte man fragen, wäre wohl passiert, wäre Gary Brooker auf John Lennon und Paul McCartney gestoßen und dieses Trio hätte die Beatles gegründet! Die Geschichte der Rockmusik hätte Procol Harums kleine feine Perlen lauter gewürdigt.
Der dritte potentielle Hit "Broken Barricades"' ist "Playmate of the Mouth", noch einmal bekommt die geradezu ulkige Phantasie Gary Brookers ein exzellentes Kleid. Und auch die weiteren Songs der LP machen einen erstklassigen Eindruck. Blues, Hardrock und locker poppige Liedhaftigkeit mixen sich zum typischen, ausgefallenen Ausdruck der Band mit dem immer wieder gern falsch geschriebenen Namen.
Vier Bonustracks sind enthalten, Rohfassungen von "Simple Sister" und die ausgedehnte von "Broken Barricades" sowie zwei Backing Tracks.

Ein Jahr später, 1972, veröffentlichten Procol Harum ihr einziges Livealbum. Am 18. November 1971 hatte die Band mit dem Edmonton Symphony Orchestra auf der Bühne des Orchesters im kanadischen Edmonton das Konzert gegeben, das hier zu hören ist. Robin Trower war nicht mehr Mitglied der Band, Dave Ball (g) und Alan Cartwright (b) waren die Neuzugänge, die die klassischen Songs der Band samt Orchester bombastisch und beeindruckend spielten. Der einzige überlange Song Procol Harums, "In Held 'Twas I" bekommt in der Band-Orchester-Fassung eine neue Dimension, wirkt schwerer, größer, symphonischer und bombastischer. Drei Bonustracks ergänzen die LP-Stücke, eine Single-B-Seite von "Luskus Delph" und die Rehearsals von "Simple Sister" und "Shine On Brightly", bislang unveröffentlicht und sehr hörenswert.

"Grand Hotel" eröffnete nach dem Livealbum eine neue Phase Procol Harums. Dave Ball hatte die Band wieder verlassen (ist hier nur auf einem Bonustrack zu hören), Gitarrist Mick Grabham (Plastic Penny, Cochise) war als Ersatz gekommen.
1973 war ein Jahr der Superlative in der Rockmusik. Pink Floyd, Paul McCartney, The Who, Queen, Bob Marley, Elton John, Bruce Springsteen, Roxy Music und viele weitere lieferten Alben ab, die Rockgeschichte schrieben und sich enorm gut verkauften. "Grand Hotel" ist moderner als seine Vorgänger, bombastischer, orchestraler, konzertanter. Der naive Charme der alten Band war weitgehend verloren gegangen. Die melodischen und harmonischen Strukturen, immer noch stark ausgeprägt, konnten nicht mehr so ungemein raffiniert auffahren, wie vordem. Der symphonische Titeltrack, das sechsminütige "Grand Hotel", und die trottelige Stolper-Phantasie von "A Souvenir of London" waren die größten Hits der Platte, die wie das witzige "Robert's Box" und "Toujours l'Amour" auf Single ausgekoppelt wurden. Geheimtipp der LP ist jedoch die grandiose Bombastballade "Fires (Which Burnt Brightly)" mit dem weiblichen Gänsehautchorgesang und der melodisch begnadeten Struktur, die altes Flair aufrief.
Zwei Bonustracks sind angehängt, raue Versionen von "Grand Hotel" und "Bringing Home the Bacon", letzterer mit 6 Minuten deutlich länger als die dreieinhalbminütige LP-Version.

Alle drei Veröffentlichungen sind sehr schön im zweifach aufklappbaren Papercase veröffentlicht, haben das originale Layout, sind mit umfangreichen Booklets ausgestattet, in denen über die Band in der Phase der jeweiligen Platte nachzulesen ist, zahlreiche Photos und Bilder sowie informative technische Details zu finden sind. Die Aufnahmen wurden digital remastert, der erstklassige Klang ist voll und satt, hat ausgeprägte Höhen, kräftige Tiefen und klare Mitteltöne.
"Broken Barricades" und "Grand Hotel" sind bereits von Repertoire Records digital remastert auf CD wieder veröffentlicht worden, jedoch mit anderen Bonustracks. So bleibt den Fans, sich zu entscheiden, welchen Releases sie den Vorrang geben. Repertoire und Salvo sind jeweils zu empfehlen und nehmen sich in der Qualität nichts. Die Salvo-CDs haben mehr, bislang unveröffentlichte Bonustracks und die Stories in den Booklets sind ausführlicher erzählt, es gibt mehr Informationen, Photos und Bilder. Letztlich sind jedoch die originalen LP-Tracks von größtem Interesse, da sind beide Labels sensibel und pflegend vorgegangen.

procolharum.com
salvomusic.co.uk
VM



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