PRIAM "Diffraction" (Musea 2001)

Wenn man "progressiv" im wörtlichen Sinn nimmt, entspricht "Diffraction" dem Begriff, obwohl es dem herkömmlichen Prog Rock nicht sehr ähnlich ist. Priam bewiesen schon mit ihrem Erstling, dass sie eigenständige Musik machen. Obschon sie auch Elemente transportieren, wie sie von Brand X und anderen JazzRockern vertont wurden. "Diffraction" versteht sich als Gesamtkonzept. "Diffraction (Open Limit)" eröffnet das Album. Hier sind die Jazzrock Passagen noch am deutlichsten erkennbar. Ein sehr langes, technisch inszeniertes Solo der verfremdeten Gitarre geht in eine Unisonopassage aus Gitarre und Keyboard über. Dabei strebt das Stück in euphorische Dimensionen vor, um überbordend in melancholische Stille zu zerfallen, die sich nur wieder emporschraubt. Faszinierend dabei ist, wie die unglaublich begeisternde Komposition mit viel arrangementtechnischem Geschick in der Spannung bleibt. "Congruatic Blvd" ist schon fast Ambient. Etliche Bläser und das hektische Schlagzeug tun dem keinen Abbruch, sondern erlauben der sphärischen Struktur eine hohe Leidenschaft. "Granito Rosa Del Oeste" fließt zerfahren dahin, um irgendwann zum Jazzrock zu werden und die vitalen Unisonoläufe von Keys/Gitarre anspruchsvoll zu transportieren. Aber auch weltmusikalische Momente sind präsent. Immer wieder überrascht "Diffraction" mit der intimen Atmosphäre, die viel von der Persönlichkeit der Musiker verrät, von ihrem Gespür für Musik und ihrer Gabe, diese zu erschaffen. "Sensitiviris (chrysalid square)" beginnt elektronisch, wie ein seichter Fluss, wie ein Nebel über frostigem Boden. Auch hier schimmern noch einmal die Jazz-Strukturen durch, immer von kühlen electronics umgeben. Doch schon "stella..." verliert solcherart Struktur völlig. Die seltsam angenehme Stille der wenigen elektronischen Schnipsel weichen einem Chor, der ein klassisches Zitat präsentiert. "...in pace" ist worldmusic. Über einem beatigen Drum weben elektronische Sounds ein Geflecht, über das sich Stimmen von ursprünglichen Völkern erheben. "Lakeside 7:30 am", eine ambiente Note, von wenigen elektronischen Klängen und spillerigen Gitarrensaiten umgeben. Bis sich hier ein Höhepunkt findet, der noch einmal "Diffraction" zitiert, vom Jazzrock über die elektronischen Sounds und Ambient zur worldmusic und schließlich in sich zusammenbricht und leise an ein stilles, wundervolles Ende schwebt. Und von dort ist es nicht mehr weit bis zu "Feel d-fract*", das wieder mit elektronischen Sounds beginnt, um schließlich nur noch Wind und entfernten Straßenlärm erzählen zu lassen. "Diffraction" im ganzen ist ein phantastisches Werk, von kreativen Musikern inszeniert, die mit viel Hingabe eine runde Sache geschaffen haben, die für mich wohl den Höhepunkt des Jahres schlechthin bedeutet. Hoffentlich wird die Band in Europa Konzerte geben, das sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen.

VM



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