Porcupine Tree: Coma Divine (Originalveröffentlichung: Delerium 1997, Wiederveröffentlichung als Doppel-CD: Delerium 2003)

Im März 1997 spielten Porcupine Tree in Rom. Das Beste aus drei Konzerten wurde auf dem vorliegenden Live-Album "Coma Divine" veröffentlicht. Ich bin ja eher spät zu Porcupine Tree gekommen und daher eher ein Kind der Phase ab "Stupid Dream". Ich hatte aber auch schon die Gelegenheit mich von den exzellenten Live-Qualitäten der Band zu überzeugen, daher war ich gespannt auf ein Live-Dokument, welches noch eher im Zeichen der ersten Phase der Band steht.

"Coma Divine" steht klar im Zeichen des damals aktuellen Studioalbums "Signify", immerhin die Hälfte der Titel stammt von diesem. Die andere Hälfte stammt grösstenteils vom Vorgängeralbum "The Sky Moves Sideways" und es gibt noch zwei ältere Titel, "Radioactive Toy" und "Not Beautiful Anymore". Die Bandbesetzung ist die der ersten Phase als Band, also Steven Wilson (Gitarre, Gesang), Richard Barbieri (Keyboards), Colin Edwin (Bass) und Chris Maitland (Schlagzeug).

Wie schon "Signify" den Wandel von Porcupine Tree weg von langen, spacigen, psychedelischen Trips hin zu mehr songorientiertem, vielleicht auch eingängigerem Material (obwohl ist "In Absentia" eingängig im herkömmlichen Sinn?) zeigt, so ist "Coma Divine" das Live-Dokument einer Band am "Scheideweg". Die Live-Versionen der einzelnen Titel sind teilweise sogar kürzer als die Studioversionen, sind in jedem Fall aber knackiger, tighter, teilweise auch rockiger gespielt. Trotzdem entwickeln die Titel durchweg noch diesen hypnotischen Tripcharakter, von dem "alte" Porcupine Tree-Fans immer so schwärmen. Hier wird dies auch für die jüngere Fan-Generation wahrnehmbar.

Trotzdem die Aufnahmen von verschiedenen Konzerten stammen, wirkt die CD wie aus einem Guss. Das Konzertgefühl kommt unverfälscht 'rüber und man meint ein komplettes Konzert zu geniessen. Es ist geradezu unglaublich welchen Sog die Musik schliesslich entwickelt. Mit der Zeit kommt man richtiggehend in einen Schwebezustand und versinkt förmlich in der Musik. Das ist wie ein Trip ohne Drogen und böse Nebenwirkungen! Wunderbar! Einzelne Titel herauszustellen verbietet sich von selbst, obwohl insbesondere "Radioactive Toy" mir immer wieder Schauer über den Rücken jagt....

In 2003 wurde "Coma Divine" als Doppel-CD wiederveröffentlicht. Sozusagen zwischen "Moonloop" und "Radioactive Toy" werden noch vier zusätzliche Songs geschoben. Die stammen je zur Hälfte vom "Signify"-Vorgänger "The Sky Moves Sideways" sowie dem zweiten Album "Up The Downstair" der Band. Dabei ist "IS...NOT" ein Ausschnitt aus dem Song "The Sky Moves Sideways (Phase Two)". Ich habe die Tracklist der Doppel-CD-Version im Statistikteil als Disc 2 und 3 aufgeführt. Die leichten zeitlichen Differenzen der einzelnen Titel habe ich nicht verifiziert. Zudem gibt es ein leicht verändertes Cover-Artwork, welches durchaus die "grössere" Dimension der Doppel-CD auch bildlich wiederspiegelt. Durch die zusätzliche Aufnahme der älteren Stücke ändert sich der Charakter des Albums ein Stück weit vom "Album einer Band im Umbruch" zur gelungenen Retrospektive der ersten Phase von Porcupine Tree, bevor die Band zu einer Psychedelic-Brit Pop-Metal-Ikone mutierte.

Für mich ist dies eines der besten Live-Alben, die ich kenne (und meine Sammlung umfasst doch eine repräsentative Anzahl), von einer der besten Live-Bands, die ich kenne. Ein sehr schönes Dokument einer Band, die sich heute umfassend gewandelt, aber immer noch (oder gar noch) brilliant(er) zeigt. Ich empfehle klar die Doppel-CD-Version, die sowohl als wehmütiges Erinnerungsstück für Fans der ersten Stunden dienen kann, wie auch dem Neuling einen Überblick über die "alten" Porcupine Tree bietet.

porcupinetree.com
Thomas Kohlruß




Zurück