Piano meets Vibes "Morning Clouds" (CCn'C, VÖ: 30.10.2009)

Der israelische Komponist Yitzhak Yedid veröffentlicht seine Musik auf einem Label, das sein Repertoire als "between the lines" bezeichnet. Neue Musik, Klassik, Jazz, Worldmusik - es gibt keine genauen Grenzen in seiner eigenen Musik, die zwischen Neuer Musik mit Anklängen aus jüdischer und palästinensischer Folklore und Jazz bis Free Jazz stattfindet wie in der des Labels selbst.
Piano meets Vibes, Jens Schliecker am Klavier und Nils Rohwer am Vibraphon, sitzen wohl ebenso zwischen allen Stühlen. Auf der Rückseite der CD-Hülle ist zu lesen, dass "Morning Clouds" unter klassische Musik fällt, und schon das ist ungenau. Was heute ist klassische Musik?! Neue Musik?
Die kompositorische und harmonische Sprache der 10 Stücke auf der CD beweist das Wissen der Musiker/Komponisten um klassische Musikstruktur, aber auch um die des Jazz im weiteren Sinn, und um so etwas wie weltumfassende Folklore-Idee, als da harmonische Arrangements in ihren Stücken sein könnten. Ist Klassik ernsthaft per se? Da gibt es ganz andere Beweise. Und doch ist die Aufwendigkeit klassischer Musik mit der populärer Musik nicht zu vergleichen, gibt es große Unterschiede in Komplexität, Melodiesprache, im Ansatz der Komposition an sich. Und da sind Piano meets Vibes klassisch. Nichts, gar nichts ist Pop, nichts ist leicht, Fingerschnippen und Mitpfeifen, Weghören und Tonmüll, Kaufhausklang und Kinderzimmergedudel; kein wehmütiger Herzschmerz, kein Harmoniekitsch.
Piano meets Vibes sind seit 20 Jahren gemeinsam aktiv. "Morning Clouds", so ist im Booklet zur CD zu lesen, ist eine ganz besondere CD für das Duo, in der die gemeinsame musikalische Identität aufgeht, die vielen Einflüsse aus der Arbeit als Filmkomponisten einfließen, in der kompositorisch und klanglich das Beste und Tiefgründigste des gemeinsamen Schaffens zu hören ist. Jens Schliecker und Nils Rohwer fordern dazu auf, musikstilistische Kategorien wie Jazz, Klassik oder Weltmusik beim Hören der CD zu vergessen und die Musik intuitiv aufzunehmen.
Das mit dem 1. Preis des internationalen Kompositionswettbewerbs 2007 der International Marimba League (USA) und mit dem Norddeutschen Kulturpreis 2009 ausgezeichnete Duo hat eine vielfältige "Handschrift". Romantische Lyrik in lichter Melodik ("Winterlied"), virtuose, dramatische Intensität ("ConcorDance II"), abstrakte Dynamik ("Morning Clouds"), nüchtern verspielte Transparenz ("Reich sein"), rasante Vitalität ("Blick nach vorn") und balladeske Verträumtheit ("Zeit & Raum") zeigen den emotional tiefen Facettenreichtum des Duos, das handwerkliche Finesse in dynamischer Leichtigkeit aufgehen lässt. Sensibel und kraftvoll, in zurückhaltender Zartheit bis stürmischer Aufgefahrenheit gehen die auch klangtechnisch exzellenten Aufnahmen ihre Lyrik und Strenge, Locker- und Verspieltheit an und bezaubern im Klang der Instrumente, in der Ergänzung der beiden Instrumente mit raffiniert aufgebauten Arrangements, in der reifen, lockeren Handschrift der Spieler.
Piano meets Vibes ist ein inspiriertes Duo mit überzeugenden Kompositionen, dessen instrumentale "Schmalheit" niemals ein Manko ist, sondern ganz im Gegenteil die Möglichkeiten beider Instrumente besonders hervorhebt.
Klassik, Jazz oder welche Kategorie sonst - Piano meets Vibes steht für ernsthafte, künstlerische Musik jenseits vorgegeben fester Struktur, in der Fülle ihrer Inspiration.

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VM



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