Piano & Percussion "Berio/Mack/Crumb" (audite 1997)

Drei Komponisten - vier Musiker; bereits die Instrumentierung (Susan Wenckus - Piano (bei Dieter Macks Stück ist "stellvertretend" Lutz Bidlingmaier zugange); Markus Stange - Piano; Markus Hauke - Percussion; Michael Kiedaisch - Percussion) klingt verheißungsvoll! Gleich zu Beginn entfaltet sich die aus dem Jahr 1973 stammende Komposition "Linea" von Luciano Berio so detailreich, dass die tonalen Gespinste regelrechte Klagräume evozieren. Die Interaktion zwischen den beiden Klavieren und jeweils einem Vibraphon und einem Marimbaphon lässt die titelgebende Melodielinie, die vor allem in den Unisonoteilen sehr präsent ist, vor sich hinmäandern wie ein Klang gewordenes Kunstwerk von Andrew Goldsworthy. "Linea" lädt ein zum sich fallen lassen in eine regelrechte Flut von Tönen, welche die verschiedensten Fließgeschwindigkeiten durchläuft, um sich am Ende - das Thema des Anfangs leicht variierend - gleich einem Ouroboros in den eigenen Schwanz zu beißen. Dieter Mack schrieb sein Stück "Rafting And Beyond" 1992 eigens für das Ensemble Piano & Percussion. Tatsächlich lässt der pointillistische Kompositionsduktus anfänglich das Bild einer Wildwasserfahrt entstehen, bei der man die Gischt der plötzlich aus dem scheinbar ruhigen Fluss auftauchenden Stromschnellen förmlich auf der Haut spürt. Neben zwei Marimbas bedienen sich die Percussionisten etlicher anderer Instrumente wie beispielsweise Crotales, Holzblocks, Becken, Gongs sowie diverser Trommeln. Im weiteren Verlauf des Werkes wird der tonale Fluss allerdings verhaltener und erhält, nicht zuletzt durch die subtil eingesetzten Gongs eine fast schon mystische Komponente, hervorragend umgesetzt durch die beiden Schlagzeuger. Nach einem kurzen Aufbäumen am Ende des Stückes verliert sich dieses ins tonale Nirwana. Überhaupt harmonieren die Kompositionen dieser CD miteinander, als entstammten sie einem Gesamtkonzept. (Da dies nicht der Fall ist, wurden sie mit Bedacht ausgewählt und wirken deshalb wie aus einem Guss.) So beginnt "Music For A Summer Evening" von George Crumb, das im Jahr 1974 entstand, ziemlich genau dort, wo Macks Komposition endete, nämlich im akustisch Numinosen. Quasi aus der Dunkelheit eines sich selbst erhellenden Kosmos werden sukzessive immer deutlichere Strukturen wahrnehmbar, die schließlich das Licht umschwirren wie Insekten. Bezeichnenderweise ist dieser erste Satz mit "Nocturnal Sounds (The Awakening)" betitelt. Der zweite Satz, den die beiden Klaviere fast im Alleingang be(st)reiten bzw. beschreiten und der mit "Wanderer-Fantasy" überschrieben ist, weckt motivische Assoziationen an die Alpensinfonie von Richard Strauss, genauer gesagt an "Auf der Alm". "The Advent", der dritte Satz generiert eine Atmosphäre unterschwelliger Bedrohung, die vor allem vom sehr langsamen Grundtempo verursacht wird und von erdrückender Beklemmnis verhallenden Pian(o)issimos bis hin zu aufpeitschendem Fortissimo der Percussiva (Donnerblech, Tam Tams) reicht. Ohnehin kommt auch in Crumbs Stück eine Vielzahl von Schlaginstrumenten, unter anderen Röhrenglocken, zum Einsatz. Solche Klänge würden sich auch gut als Musik für eine Verfilmung der Geschichten H. P. Lovecrafts eignen. Der archaisch wirkende Folgesatz "Myth" erinnert stark an die japanische Musiktheatertradition und bleibt ausschließlich den Schlagwerkern vorbehalten. "Music Of The Starry Night", der fünfte und letzte Satz, nimmt zunächst diese Stimmung auf, um sie aber in der Folge mehr und mehr in dissonant gebrochene Sphärenharmonien zu transzendieren, die wiederum auf das omnipräsente Göttliche verweisen. Insgesamt eine erkleckliche Anzahl schlagender Argumente für einen Kauf dieser CD, die einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis stellt, dass sich wahre Progression in der (Neuen) Musik stets unter Beteiligung von Schlaginstrumenten ereignet.

markus-hauke.de
Frank Bender



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