Panzerballett "Breaking Brain" (gentle art of music, 30.10.2015)


"Breaking Point" - Neujustierung bei der jazzmetallischen und wohl aufregendsten Kapelle aus deutschen Landen? Klar, stete Neujustierung. Das Fundament ist fest in Meshuggah gelegt, technische Komplexität ist die wärmende Sonne des Tages. Neue Ideen werden auf stets neue Weise be- und verarbeitet.
Vier Kompositionen stammen aus Jan Zehrfelds Feder, des Gitarristen und Masterminds der trotz zahlloser Brüche, Ecken und Kanten perfekt austarierten und krass ideenreich erfüllten Tracks. Ein Song ("Mahna Mahna") stammt von Piero Umiliani (den gab es bereits vor der Sesamstraße, doch), der ehemalige Panzerballerino Martin Mayrhofer (Schizofrantik) trug mit einem Song sein Scherflein bei. Henry Mancini musste erneut seinen "Pink Panther" zur Verfügung stellen, daraus nach der ersten Panzerballett-Version ("Starke Stücke") eine rasante zweite folgen zu lassen. Zudem brachte der aktuelle Gast Trilok Gurtu mit "Shunyai" eigenes Material ein, das Panzerballett als weltmusikalischen Einfluss erstklassig verkrasst.
9 Songs, 55:40 Minuten. Futter für das Gehirn. Nach der linden Einführung in der ersten Minuten des ersten Tracks geht es gleich in die Vollen. Panzerballett arbeiten aktuell etwas weniger ultrakomplex (indes noch um ein vielfaches komplexer als ähnlich orientierte Bands), tief jazzgebettet, mit fabelhaft sattem, schweren Gitarrensound und erlesen arbeitender Band. Den Handwerkern bei ihrem perfekten Spiel zuzuhören, ist grandios und mitreißend. Darüber hinaus das bunte, überaus abwechslungsreiche und dynamisch rasante Geschehen - außergewöhnlich!
Zum schwer harten Jazzmetal gibt es elegische Ausflüge in jazzrockenden Fusionsound mit erlesenen Jazzsoli an Gitarre und Saxophon. "Der Saxdiktator" hat eher lyrisches Gewand, sehr schick, wie das überaus kantige Schlagzeugspiel diese laszive Elegie unterhält und bedonnert.
"Typewriter II" arbeitet mit Schreibmaschine. Also nix Computertastatur, sondern Schreibmaschinensound, das Arbeiten an der Walze, das Umlegen der Zeile mit dem typischen Klingelton. Jan Zehrfeld hängt seiner Komposition die ‚II' an, meines Erachtens gibt es keinen ersten Teil von Panzerballett. Mir ist nur das "Typewriter Concerto in D major " der estnischen Kapelle In Spe bekannt, in dem die Schreibmaschine ebenfalls eine große, extrakrasse Rolle spielt. Parallelen zwischen den Bands und ihren bevorzugten Stilen gibt es - außer dem Instrument Schreibmaschine keine oder bestenfalls marginal.
"Mahna Mahna" ist 2:37 Minuten lang. Gefühlt keine Minute. Das Poltern und Radikalisieren Panzerballetts hat etwas von der verrückten Idee der Sesamstraße (ist das heute noch so?). Das Jazz-Inlay und die unnachgiebig lustvolle Ausarbeitung des, ja, verrückten Instrumentalgeschehens ist hinreißend!
"Smoochy Borg Funk" aus der Feder Jan Zehrfelds beginnt elegisch, bis die Gitarre das Thema zerfetzt und das Saxophon als Schnatterente seinen Senf dazu gibt. Schönes Musikspielzeugland mit Groove und, wenn das bei Panzerballett geht, coolem laid back Feeling. Jazz Funk auf spitzen Steinen und eisklaren Gitarrentönen, den harten solistischen wie den jazzkalten Melodiesounds.
Martin Mayrhofers "Frantik Nervesaw Massacre" (typisch Mayrhofer benannt) geht gitarrentechnisch los und wird sogleich vom Panzerballett-Kokon umarbeitet in technisches Gemetzel auf höchstem Niveau, das sich linde Energieinseln gönnt und fabelhaft groovt - trotz des enorm schweren, komplexen Schlagzeugspiels.
Trilok Gurtus Mitbringsel wurde in zwei Tracks gesplittet, das ‚Intro' über etwa zwei Minuten und der Haupttrack mit achteinhalb Minuten. Trilok Gurtu, seit 1977 selbst mit Rockmusik, Jazz & Jazzrock, überwiegend Jazz aktiv und inspiriert etwa von John Coltrane und Jimi Hendrix, spielt das Intro als für ihn typisches Tabla-Gesangsstück. Panzerballett nehmen das Thema auf und bauen es auf ihre typische, schwer komplexe, metallische Weise aus, wobei die Band hier etwas zarter agiert, den Fokus mehr auf Struktur als auf verrückt krassen Ausbau setzt. Das spätere, für Jan Zehrfeld ungewöhnliche Gitarrensolo (ein Gast?) erinnert an technische Gitarristen wie Satriani oder Vai, ohne deren Stil zu kopieren. Es bleibt panzerballettistisch - und das ist auch gut so.
Die letzten 6:20 Minuten gehören dem "Pink Panther". Und Henry Mancinis Meisterwerk bekommt noch einmal Panzerballett-Leben eingehaucht. Und zwar so eigen, dass der Song zuerst kaum zu erkennen ist, bis das typische Motiv sich über die komplex-brüche Rhythmuslandschaft setzt und zehrfeldisiert wird. Mir gefällt besonders der Jazz-Part ab drei Minuten vor Ende, Himmel wie schön! Muss man gehört haben!
"Breaking Brain" zeigt Panzerballett gewachsen, etwas linder, etwas weniger extratechnisch, etwas weniger ultrakomplex, aber keine Sorge, auf enorm hohem, schwindelerregenden Niveau. Kreitmeier-Terror gibt es dieses Mal nicht, die Dame war nicht eingeladen. Alle Songs des Albums bleiben pur instrumental.
Kann ich nur unbedingt empfehlen. Nebenbei können die ‚alten' Alben des Zehrfeld-Kosmos aus der Sammlung gezogen und erneut studiert werden, damit der Tag seine Würde und seinen Klang hat.
Die Band ist ab 20.11. (oops, schon unterwegs!) wieder auf Tour, überwiegend in Deutschland, werden kurz Austria, die Schweiz und Paris angesteuert.
Auf geht's!

panzerballett.de
VM



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