Osibisa "Osibisa" "Woyaya" (Beat Goes On 2004)
Osibisa "Heads" (Beat Goes On 2005)

In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre explodierte die populäre Musik. Eigenwillige, höchst unterschiedliche, rasante Stile brachte die Rockmusik hervor, verbandelte sich hier mit Jazz, dort mit Klassik, paarte sich mit allen möglichen Folkloren der weiten Welt und baute seine eigenständige Stil-Vielfalt aus, die heute noch besteht, auf die weiterhin aufgebaut wird. Rockmusik war ein Herd revolutionären Aufbegehrens. Die Musik war wild, virtuos, laut, komplex und entspann seinen Charme und seine Kraft über den ganzen Planeten. Es kam nicht darauf an, sich bestimmten Hörvorstellungen oder einem Stil einzuordnen, sondern eigenes Profil zu entwickeln, so hat sich die farbige und virtuose Landschaft der Rockmusik entwickelt.
Die rockmusikalische Landkarte verschonte auch Diktaturen nicht, hat gewiss erheblich mit zum endlichen Sturz der stalinistischen Regimes in den ehemaligen Ostblock-Staaten beigetragen. Teddy Osei aus Ghana, der Kopf von Osibisa, ging 1962 nach London. Dort studierte er, mit einem Stipendium der Ghanaischen Regierung Musik. Schon 1964 begründete er seine eigene erste Band namens Cat's Paw, mit der er afrikanische Folklore mit Rock und Soul verschmolz. 1969 jedoch wollte er etwas ganz Neues machen, aus eingefahrenen, schlichten Strukturen ausbrechen, keine dreiminütigen Songs mehr spielen. Er engagierte Spartacus R (Grenada), Sol Amarfio (Ghana), Mac Tontoh (Ghana), Wendell Richardson (Antigua), Robert Bailey (Trinidad) und Loughy Lasisi Amao (Nigeria).
1971 veröffentlichte Osibisa seine ersten beiden Alben. Die Mischung aus afrikanischer und karibischer Folklore und europäischem Rock hat nichts mit heutiger Weltmusik zu tun und muss doch als einer der vielen Wegbereiter zählen. "Woyaya", das 2. Album im gleichen Jahr, war etwas milder, ohne aber die Virtuosität der Band einzubüßen. Stilistisch hatte sich nichts verändert.
Da treffen virtuoser Rhythmus urban-monotoner Buschtrommeln auf urtümliche Ska-Bläsersätze, harte Gitarrensoli mit fantastischen melodischen Läufen auf jazzige Saxophon-Attacken. Rock, Jazz und überschäumende afrikanische Folklore haben in diesem wilden Mix erstaunliche instrumentale Parallelen zu frühen Santana entwickelt. Da ist nichts geglättet, alles passiert aus pulsierendem, fröhlich-unbeschwertem Lebensgefühl. Afrikanische Folk-Gesänge - ein Sänger singt vor, der Chor antwortet - breiten sich über jazzharmonischen Hammondakkorden aus, während Soul- und Funk-Ansätze im rhythmischen Strudel zu hartem Rock ausbrechen.
Die Cover entsprechen der Musik in ihrer Leidenschaft und bunten Fülle. Niemand anderes als Roger Dean hat beide LP-Hüllen gestaltet und seiner Phantasie freien Lauf gelassen. Osibisas Markenzeichen wurde der fliegende Elefant, die Landschaften waren mehr urbaner Urwald als phantastische Abstraktion (wie auf den YES-Hüllen), aber nicht weniger phantasievoll.
Lange Zeit schon sind die LPs der Band nicht mehr zu bekommen, nur Second Hand bei entsprechenden Preisen. Da wurde es Zeit, die LPs remastert auf CD wieder aufzulegen. Osibisa, die es heute mit zwei Originalmitgliedern immer noch gibt, haben manche weitere Platten veröffentlicht, allein 8 weitere in den 1970er Jahren (!). Hoffentlich werden diese Alben auch für CD remastert und veröffentlicht.

Ein Jahr nach der Veröffentlichung der ersten beiden Osibisa-Alben legt Beat Goes On Records das 1972er Nachfolgewerk "Heads" remastert auf.
Die 9 Tracks der Platte sind ein äußerst inspirierter und dabei wilder, fröhlicher, folkloristischer Mix aus allerlei afrikanischen Buschtrommelfeuern, amerikanischem Rock, Jazz und Blues. Die 7 Musiker bearbeiten allerlei Perkussionsinstrumente, was sie partiell extrem heavy und schnell tun ("Ye Tie Wo") und damit klingen, als riefen sie zum wilden Voodoo-Tanz auf. Im Hintergrund kreischen und singen Stimmen, die Band spielt Gitarren, Timbales, Cowhorn und Kabasa. Ein hinreißender Wirbel, ungemein fazinierend.
Andere Songs sind stärker rockorientiert, könnten beinahe von Santana stammen. Melodisch ist "Heads" zweigeteilt, zum einen sind da die afrikanischen Folksongs, auf der anderen Seite die Rockharmonien, die Osibisa keineswegs exotisch spielen, sondern authentisch, knochentrocken und vital rüberbringen.
Als Worldmusic nur vereinzelt gespielt wurde und die Popszene diese Art Einflüsse vollständig verschmähte (und noch nicht kaputt nudelte, wie heute häufig), fanden Osibisa einen ausdrucksstarken und überzeugenden Mix aus afrikanischer Folklore und Rock. Blues und Jazz waren Wegbereiter, die integrative Rockmusik der 70er inspirierte Osibisa dazu, ihre eigene Sicht von Weltmusik zu finden. "Heads" ist ein fabelhaftes, mitreißendes, durch und durch rocktrunkenes Album, zum Vertiefen und Genießen. Unbedingter Tipp!

bgo-records.com
VM




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