Oranzada "Once Upon A Train" (Micro Fon Records, 06_2012)

Auf gerade einmal 30 Minuten bringen es die 10 rein instrumentalen Songs auf "Once upon a train" - aber so kurz das 5. Album und so eigenwillig der Albumtitel (die Band erzählt von der Zugfahrt zwischen den Orten Otwock und Wawer in Polen, dazwischen liegen 10 Stationen = 10 Songs), so ungewöhnlich und ausdrucksstark ist das grandiose Album der polnischen Band aus der Nähe von Warsaw (Warschau). Psychedelic Rock und Postrock könnte man da nennen, Folk- oder Alternative Rock, Weltmusik, Filmmusik. Überwiegend improvisativ sind die kurzen Tracks. Eingespielt auf klassischem Rockinstrumentarium plus Cajón, Flöte, Djembe, Bongos, Trompete, Tamburine und Harmonica, beweist das Quartett Robert Derlatka, Artur Rzempoluch, Maciej Labudzki und Przemyslaw Guryn beeindruckende Eigenständigkeit, schier unglaubliche Unabhängigkeit und stilistische Ferne von aller Rockmusik, die schon irgendwo da ist. Und gewiss doch: Oranzada erfinden Rockmusik nicht neu, die Ästhetik der einzelnen Instrumente und der Gruppenklang von Gitarre, Bass und Schlagzeug können wohl kaum noch, ähnlich wie bei den Franzosen We Insist!, die ähnlich freischaffend, stilistisch indes ganz anders arbeiten, das Rad neu erfinden, dafür neue interessante Prägung und ungewöhnliche Klangfarben ins Spiel bringen.
Von Beginn an geht es melancholisch und sehr lyrisch zur Sache. Manche Idee fließt episch dahin, auf Wah-Wah-Gitarren und lässig rumpelndem Rhythmus. Doch die Komposition hat ihre Besonderheit, nicht nur im Klang ihrer weltmusikalischen Rhythmusinstrumente, eher im Arrangement der Sounds und Instrumente, und der kurios verzahnten Melodien. Manches Thema ist schon am Ende, als sein Puls gerade hochgefahren ist. Und darin liegt großer Reiz. Kaum entfaltet so ein Song seine Wirkung, da klingt er aus oder endet abrupt.
Im Off schwingen Erinnerungen an einstige Violent Femmes nach, die Einflüsse stammen aus den Sixties, aus Filmmusik und Psychedelic Folk. Die Band hat ihre Kleinode inspiriert, intelligent und frappierend interessant aufgebaut. Damit könnten sie ein echter Hit werden. So leise das Album und so neben allem Zeitgeistlärm ist diese nonchalante Platte charmante Erfüllung. Und trotz der Kürze der CD ist Oranzadas Musik ideal für endlose Autobahnödnis. Wenn die Musik am Ende angekommen ist, will sie gleich wieder von vorn beginnen.

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VM




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