Octopus "The Boat of Thoughts" (Sky 1977, Sireena Records, VÖ: 17.07.2009)
Shaa Khan "The World Will End On Friday" (Sky 1978, Sireena Records, VÖ: 17.07.2009)
Harlis "Harlis" (Sky 1976, Sireena Records, VÖ: 17.07.2009)

Die weltweit begehrte Krautrock-Szene kann sich über Reissue-Rarität nicht beklagen. Zwar gibt es immer noch nicht alle großen Alben, nicht alle Klassiker und grandiosen Werke deutscher Bands aus den Freaksiebzigern auf CD. Doch mittlerweile sind es schon einige Labels, die sich darauf spezialisiert haben, Reissues auf CD zu veröffentlichen. Sireena Records legen nun drei CDs auf, die in der zweiten Hälfte der Siebziger zur zweiten Liga der Szene gehörten.
Die Frankfurter Octopus, 1973 gegründet, spielten Symphonic Rock ähnlich wie Grobschnitt, Novalis oder Eloy. "The Boat of Thoughts" ist ihr erstes (von vier) und bestes Album. Die Keyboardsounds sind zumeist schlicht und zu leise, nur in einigen begnadeten Soli gut zu hören. Klingt, als wäre Keyboarder Werner Littau Flegmatiker, der zuerst Flächen bunt macht, ehe er sich konkretem und dynamisch melodischem Spiel widmet. Die Rhythmuscrew baut diesen typischen hektischen Pegel, der auf etlichen Symphonic-Alben der deutschen Szene in der zweiten Hälfte der Siebziger zu hören ist. Weniger komplex und heavy geht es zur Sache, gepflegt und gebildet ist der Gruppensound. Die Gitarre hat den perfekten solistischen Rahmen, den Pit Hensel gut nutzt. Sängerin Jennifer Hensel hat eine kraftvolle Stimme, die sie songdienlich einsetzt. Erinnert mich ein wenig an Renaissance, aber das geht wohl nur mir so.
Von den sechs Songs ist der letzte, der neunminütige Titelsong, der ausgefeilteste. Stimme, Gesangsintonation und instrumentale Begleitung sowie die dynamische Entwicklung der melodischen Themen sind vielschichtig und beeindruckend.
Das Album mit dem prophetischen Titel "The World Will End On Friday" ist das erste von zweien der 1975 gegründeten Band Shaa Khan. Shaa Khan wandelten auf den symphonischen Spuren Grobschnitts und legten mit den 5 Songs ein interessantes, virtuoses Album vor, das Humor hat, komplexe Songstrukturen und witzige Keyboardexperimente mag und eine lebhafte, energische und zugleich lässig coole Band präsentiert, die instrumental genügend auf der Kante hatte, ihre schicken Songs perfekt zu intonieren. Lediglich einige Keyboardtapetensounds sind typisches Symphonic-Material aus der Altkleidersammlung, die aber keinen großen Schaden anrichten, weil sie ins Off verbannt wurden und eher als Space-Rock-Schleier hinter der konzentrierten, lockeren Band dämmern. Zwar sind auch Shaa Khan an Schöngeist orientiert, haben aber Witz und Phantasie genug, fette Songs daraus zu basteln. Schönstes Stück? Keines. Die ganze Platte ist toll!
Harlis spielten ziemlich simplen und zudem naiven Hardrock. Zwar kamen Charly Maucher (b, voc) und Wolfgang Krantz (g, key) von Jane, aber mit dem Weggang hatte die bekannte Heavyrocktruppe augenscheinlich nicht ihre großen Komponisten verloren. Werner Löhr war Trommler bei den Scorpions gewesen, in deren Frühphase, Arndt Schulz (g) ein junger No-Name. Die Jungs ließen sich auf Motorrädern ablichten, passend zu ihrem Sound. Lustiger Weise ist "BMW" noch einer ihrer besseren Songs. Nichts gegen die instrumentalen Fähigkeiten des frischgebackenen Quartetts, aber ihre kreativen Einfälle ließen deutlich zu wünschen übrig. Die Platte mit den acht Songs ohne besondere instrumentale Extravaganzen, bis auf einige nette Gitarrensoli und leichten Southern Rock Einschlag ist nicht viel Bemerkenswertes zu hören, verschwand wie der ein Jahr später folgende Nachfolger in der Versenkung. Die CD hat zwei live eingespielte Bonustracks drauf, die den eventuellen Hardcore-Fans Freude machen werden.
Alle Alben sind im Digipack veröffentlicht, in den Booklets sind die Stories der Band zur Zeit der Platte in deutscher und englischer Sprache samt Bandphotos enthalten. Bis auf Harlis enthalten die CDs keine Bonustracks.
Für Herbst 2009 sind drei weitere Reissues angekündigt (Bullfrog "High in Spirits", Shaa Khan "Anything Wrong?", Harlis "Nights meets the Day"), wer die Digipack-Rückseite der drei bisherigen CDs zusammenlegt, erkennt einen kleinen Teil des "Sky"-Logos, das lässt darauf schließen und hoffen, dass die Reissue-Serie ausgedehnt fortgesetzt wird. Es kommt was auf uns zu!

sireena.de
VM



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