Nyx Aether „Entering Into Rebirth“ (Layered Reality Productions 2012)


„Nix Äther, alles Quatsch!“ sangen die besserwisserischen Glaubenschaftler - Pharisäer, die Häresie begehen, werden vor dem göttlichen Gericht der Pharisie angeklagt - im kokaphonen Chor der Block-Föten gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts und Lord Kelvin war brüskiert, weil er ein entschiedener Verfechter der Äther-Theorie gewesen war. Einstein und seine Theorien, die heute zumindest teilweise schon wieder Geschichte sind, wurden der interessierten Öffentlichkeit als das Nonplusultra der Physik präsentiert. Auch Newtons Forschungsarbeit - seine alchemistischen Studien verschweigt man bis heute geflissentlich - war schon auf diese Weise instrumentalisiert worden, um ein materialistisches Weltbild zu zementieren, aber Zement hat, wie selbst jeder Laie weiß, eine Halbwertszeit, die mittlerweile längst überschritten ist und der Mörtel heftigst zu bröckeln beginnt. Heute können wir nämlich als gesichert annehmen, dass im Universum nicht nichts, also vakuumöse Leere herrscht, sondern dass es außer der sichtbaren Materie noch dunkle Materie, dunkle Energie und eben auch Äther gibt und dass der Bereich der sichtbaren Materie allenfalls einen sehr begrenzten Bereich der Physik darstellt. Vieles, was wir zu wissen glauben, ist eben eine Frage der Interpretation und daraus resultierend der Nomenklatur. Mylene van den Weijer (Sologesang und Komposition), die per-son-ifizierte Äther-Nixe ist zwar weder Göttin, weder geistig umnachtet, kann aber auf alle Fälle selbst nachts ungeleit nach Hause gehen. Dafür sorgen Tom de Wit (Gitarre, Chorgesang, Gegrunze,Schlagzeug-Programmierung und Orchestrierung) und Martijn Luppens (Bass) mit gut ausgeleuchteten musikalischen Wegen. Geholfen werden sie von Sander Stegemann (Chorgesang, Gegrunze und Gitarre), Joey Klerkx (Gegrunze) und Paul van Geldrop (Keyboards und Orchestrierung). Die Beteiligten an Nyx Aether entfachen zusammen ein Feuerwerk aus symphonischem Bombast, gepaart mit Bezügen aus Death und Doom Metal; man könnte „Entering Into Rebirth“, wenn dieser Ausdruck nicht bereits überstrapaziert worden wäre, als Opera metallica bezeichnen. Mylene besitzt eine ausgebildete Sopran-Stimme mit der Energie und der Brillanz eines Kastraten. Leider ist sie mit dieser Kombination aus Kraft und Zerbrechlichkeit eine Ausnahmeerscheinung unter den Chanteusen, nur Konstanze Kulinsky von der Band Adaro fällt mir in diesem Zusammenhang noch ein. Bei Sopran-Stimmlagen rollen sich mir gewöhnlich die Fußnägel hoch, aber dieser Gesang ist Wohlklang für mich. Titel wie „The Grand Transformation“, „Redemption“ oder „Nibiru's Return“ - möglicherweise weit mehr als ein Mythos - zeigen, dass der lyrische Hase nicht im Schnee von gestern langläuft. Alles in allem eine überaus gelungene Unternehmung, auf deren Fortsetzung ich ungeduldig warte.

Frank Bender




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