Neun Welten - Destrunken (Auerbach Tonträger 2009)

Ein starkes Debut vor drei Jahren und verzaubernde Live-Auftritte - das Quintett Neun Welten steht für Talent und Eigenständigkeit und sorgt allein mit dem Kunstwort "Destrunken" als Albumtitel für potentielle Irritationen. Was nach Tod und Zerstörung klingt, verbirgt in Wahrheit einmal mehr klassisch inspirierte filigrane Folk-Arrangements mit hohem Wiedererkennungswert. Die Band aus dem sachsen-anhaltinischen Halle kreiert überwiegend mit Streich- und Blasinstrumenten sowie Akustikgitarren zeitlose Oden an die Natur.
Auf Gesang (sowohl weiblich als auch männlich) wird nach wie vor nur in einzeln ausgewählten Stücken zurückgegriffen und in "Dämmerung" entlockt die in erster Linie Flöte und Klarinette spielende Sängerin Anja Hövelmann ihrer Stimme auch einige experimentelle Töne. Zeilen wie "Es zieht ein kalter Wind aus Norden, lass mich nicht erfrieren" im eröffenenden "Frosthauch" könnten arg pathtisch klingen, wirken aber vielmehr aufrichtig emotional. Kitsch und Bombast wird anderen überlassen, Neun Welten sind keine Band für große Posen.
Beeindruckt hat mich das Stück "Destrunken II", bei dem ein treibendes Schlagzeug den sonst so feingliedriedigen Kompositionen eine forsche Dynamik verleiht und zwischendrin Blasinstrumente orchestrales Flair verbreiten. Solche Spannungsbögen erschaffen ohne Gesang doch nur vergleichsweise wenige Formationen. Dem gegenüber stehen leise Akustikstücke mit Tiefgang wie die bereits programmatisch betitelten "Der stille See" oder "Ewig' Ruh".
Neun Welten sind sich vollauf treu geblieben und haben trotz der weitgehenden Abkehr von mittelalterlichen Klangelementen gleichwohl an Variantenreichtum gewonnen - es entsteht eine vortreffliche Kombination aus sanfter Dramatik und träumerischer Leichtigkeit. Qualitativ hochwertiger deutschsprachiger Folk mit dunkel-melancholischem Grundton, aber ohne neo-konservative Rhetorik oder völkische Historienverklärung. Es ist schön und wichtig, dass es euch gibt!

Volker Schulz



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