Napalm Death - The Code Is Red...Long Live The Code (Century Media 2005)

Napalm Death sind mehr Punk als jede Punkband. Wer hätte gedacht, was sich aus den frühen Demotapes einmal entwickeln würde. Zusammen mit Repulsion und Carcass die Mitbegründer des Grindcore. Und während sich die von ihnen beeinflussten Bands mit trivialen Schlächter-Lyrics auf der Stelle bewegen, sind die Briten ihnen allen schon wieder voraus: Den schmalen Grat zwischen Wurzeltreue und Evolution haben sie in ihrer beachtlichen Diskographie nicht jedes Mal konsequent beschritten, aber 2005 gelingt es ihnen. Zugegeben, ohne den Erwartungshorizont zu sprengen, aber ohne auch nur ein Quentchen Energie verloren zu haben.
Die Ironie liegt natürlich in der bereits angeschnittenen Tatsache, dass Napalm Death eigentlich gar kein Grindcore mehr sind. Sie hatten die Idee, aber eine andere Auffassung. Möglicherweise sind sie gar nicht mehr dem Metal zuzuordnen. 'The Code Is Red...' präsentiert illustre Gastauftritte, von Jello Biafra (Dead Kennedys), Jamey Jasta (Hatebreed) und Jeff Walker (Carcass). Von brutalem Gekloppe kann man angesichts der großen, auseinandergewachsenen Genreströmung eigentlich nicht mehr reden. Rock 'n Roll, irgendwie. Nicht für jeden, aber für alle, die ein offenes Ohr für sympathischen Krach haben. Was nicht heißt, dass es keine Melodien gibt, dieser Krach ist auch ob der einfachen Rhythmen nicht stumpf. Die 15 Songs sind intelligent geschrieben, furios, zügellos, versehen mit kleine Fingerzeigen auf die Vergangenheit. Wie in alten Tagen. Die Evolution liegt in der Stabilität und Reife, mit der die Stücke vorgetragen werden, wie Altes und Neues kombiniert wird. Schön und gut, denkt man sich, und dann kommt da gegen Ende noch 'Morale'. Wie ein Tribut an frühe Neurosis. Den anderen Songs vollkommen entgegengesetzt, entfaltet sich eine bedrohlich stampfende Doom-Stimmung, die nicht nur wegen des Überraschungseffektes unglaublich intensiv rüberkommt. Noch abgefahrener 'Our Pain Is Their Power', mehr Outro als Song, mehr Experiment als Outro. Logisch, dass diese beiden Sonderlinge im Pressetext besonders hervorgehoben werden. Es bleibt abzuwarten, ob sich mehr daraus entwickelt.
Sozialkritische Aussagen in den Texten sind schon immer wichtig für die Jungs um Barney gewesen. Nicht aufdringlich, aber fundamental. Zugegeben, sie müssen einen nicht interessieren, wenn so ein Monster wie 'Vegetative State' auf einen zurauscht. Obendrein werden die beiden Abschlusstracks nicht jedem eingeschworenen Fan schmecken. Doch so muss es gewollt sein, die Napalm Death'sche Ideologie kommt zum Vorschein; sie machen Musik erst für sich und dann für andere. Arroganzfreie Wahrheit verbreitet sich auch in ihren Albentiteln. Enemies of the music business. Leaders, not followers. Selbsteinschätzung geglückt.

enemyofthemusicbusiness.com
Timo



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