Die Nacht der Trommel

Live am 04.04.2006 im Palatin, Wiesloch-Walldorf

Sprichwörtlich zurück zu Adam und Eva bzw. noch weiter ging es zu Beginn; eine Stimme aus dem Off führte das Publikum, unterstützt durch an großes Kino erinnernde Licht- und Toneffekte, zu den Anfängen allen Seins. Als die Stimme verklungen war, wurde die Halle von exotischem Zirpen erfüllt, denn wie der aufgeklärte Mitteleuropäer weiß, stand die Wiege der Menschheit und damit auch die der Trommel in Afrika. Nun war die Zeit für das Erscheinen des ersten Protagonisten, Mark Essien, der in der Tat aus Afrika stammt, gekommen. Er betrat singend und trommelnd die Bühne. Sukzessive folgten die restlichen Akteure des Abends, als da waren: Armin Rühl, Stefan Breuer, Jens Weidenheimer und Boris Angst. Sie zelebrierten eine Call-And-Response-Trommel-Session, zu der sich noch fünf Buben eines Fanfarenzuges gesellten, um unisono eine Trommelfigur zum Besten zu geben – ein gelungener Einstieg!
Im Anschluss daran kam es zu einem Snare-Drum-Duell zwischen Armin Rühl und Boris Angst, das schnell entschieden war – Gewinner war das Publikum, das sich ob der zahlreichen Gags köstlich amüsierte. Danach gelangte eine Komposition von Stefan Breuer zur Aufführung, an der wieder alle fünf Hauptakteure des Abends beteiligt waren und die nach dem Motto „Drumset-Sharing“ konzipiert war – jeder spielte eines der Instrumente, aus denen sich ein Schlagzeug zusammensetzt. Weiter ging die Reise nach New Orleans mit einem Bo Diddley-Groove, der auf der 3/2 Clave basierte; jetzt aber saß bzw. stand jeder an seinem Set. Begleitet wurden die Trommler von Gitarre und Bass, wobei der Groove immer wieder variiert wurde und jeder Rhythmusiker einmal die Lead-Drums spielte. Der Spaß am Trommeln übertrug sich auf das Publikum, das zwischenzeitlich auf ca. 500 Menschen angewachsen war und eine beeindruckende, da vitale Kulisse bildete.
Nach einer ca. 20-minütigen Pause, in der im Foyer der Halle ein auf einem zu Ausstellungszwecken bereitgestellten Drumset trommelnder Wunderknabe – solche Talente gehören auf die Bühne - den Small-Talk zumindest erheblich erschwerte, ging die Veranstaltung weiter.
Armin rief mit einem Schlagzeugsolo die Foyeristen in den Saal zurück und zeigte in einer „Slap-Stick“-Nummer, dass er sein eigener Schalk im Nacken sein kann, als er mitten in seinem Solo die Sticks fallen ließ, sich einen Fotoapparat schnappte und sein Drumset aus den verschiedensten Perspektiven fotografierte, begleitet vom munter weiterspielenden Drumcomputer. Nach der Foto-Session nahm er erneut Platz am Schlagzeug und spielte wieder synchron mit dem Computer das Solo zu Ende - Entertainment pur!
Als Reminiszenz an die Donaueschinger Musiktage wurde nun laut Anmoderation von Herrn Rühl E-Musik zu Gehör gebracht. Vor der in Reihe stehenden „Schlägertruppe“ wurde ein überdimensioniertes Notenpult aufgestellt – ein Schelm, wer Humoröses dabei denkt! Die betont ernsten Mienen der Musiker verstärkten den Eindruck einer Persiflage und spätestens nach dem Ende des Stückes, als das Notenpult beim Abräumen beiläufig umgedreht wurde und sich dessen „Innenleben“ – das Poster einer spärlich bekleideten Dame - dem Publikum offenbarte, war dies wohl jedem im Auditorium klargeworden. Dabei bleibt trotz allen Amüsements zu sagen, dass das Klischee von der abgehobenen, verkopften Neuen Musik gerade im Bereich der Percussion-Instrumente ein bloßes Vorurteil ist und dass Vorurteile zwischen sogenannter U- und E-Musik nicht gepflegt, sondern vielmehr abgebaut werden sollten. Man muss sich für höheren Blödsinn nicht unbedingt auf einen Kirchturm stellen, zumindest aber sollte man diesen dabei im Dorf lassen. Solcherart machen - in positiver Weise - Musiker wie Evelyn Glennie, Colin Currie oder Grant Collins von sich reden.
Wie die viel zitierte Faust aufs Auge passte in diesen Kontext das sich anschließende „We will rock you“-Thema, mit dem sich wohl jeder der Anwesenden solidarisieren konnte – hier war der k.g.N. gefragt, eben die Zahl mit dem kleinsten Nennwert unterhalb des Bruchstriches.
Äußerst kurzweilig gestaltete sich das fröhliche Liederraten mittels der zugehörigen Drum-Intros, die im Wechsel gespielt wurden und diverse Aha-Erlebnisse im Publikum auslösten.
Nach kurzer Umbaupause betrat Will Calhoun, der Special Guest, die Bühne und zeigte, dass er ein Mann für alle (Trommel-)Felle ist – wirklich beeindruckend, was er an Wave Drum und Drumset darbot. Allerdings war sein Auftritt nach weniger als 40 Minuten bereits beendet – Gästen eines solchen Kalibers sollte zugunsten einer Bescheidung der Gastgeber mehr Raum gegeben werden, sofern man Spieltechnik und innovative Soundkonzepte nicht als „Spaßbremse“ betrachtet. Das Niveau der Nach-Calhoun-Zeit blieb vor allem dank eines „Maul-Helden“ der hippen Art beachtlich – der Beat-Boxer Jan-Eric aus Worms landete einen „Hit“ nach dem anderen und schien wahrhaft polyglott zu sein, quasi ein Bobby McFerrin des Hip Hop. Jedenfalls veranlasste sein mundäner Vortrag das Auditorium mehrfach zu frenetischem Beifall. Als sich der Zeiger der Uhr gen Mitternacht und daraus resultierend mein Kopf schlaftrunken nach vorne neigte, verließ ich unter den Klängen eines DJs, der ein Duett mit Armin spielte (klingende Scheiben gegen schwingende Kessel), den Saal, da sich mein Wecker unerbittlich um 6.00 Uhr meldet.
Ich freue mich bereits jetzt auf die geplante Fortsetzung dieser Veranstaltung, die unter anderem von Session Drums gesponsort wurde, dem Schlagzeugladen mit dem meisten Flair und dem besten Service zwischen Nord- und Bodensee.

Frank Bender



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