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MorSof "Heap" (Poseidon/Musea 2003)
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Die japanische progressive Szene ist ein unendlicher Quell dynamischer lebendiger Musik. MorSof ist ein so ein Beispiel für die hohe Qualität, die eigenständige, ja eigenartige Kunst japanischer Musiker, einen virtuosen Ausdruck, eine vielfältige Musiksprache zu finden. MorSof ist die Abkürzung von Morning Machine & Soft Musums, die Juxtaposition von Soft Machine und Morning Musume. Von Soft Machine hat sich einiges zu MorSof vererbt, Morning Musume ist ein japanischer Teenager-Girlie-Fimmel, von dem hier nichts weiter vorzufinden ist. Mikio Fukushima (saxes, Killing Floor), Norivumi Uchida (b) und Morihide Sawada (dr) sind MorSof, "Heap" haben sie mit einigen Gastmusikern aufgenommen. Die beiden Gitarristen Yui Ando und Yoshiharu Izutsu, Trombonist Kenta Hamano und Keyboarder Miyako Kanazawa (Koenji Kyakkei) sind nicht weniger aktiv als ihre Gastgeber. "Heap" ist eine im Ausdruck typisch japanische Version progressiven Jazzrocks. Äußerst kraftvolles Schlagzeugspiel, das sich nicht an Jazzrhythmen hält, virtuose Basslinien und sphärisch abgedrehte Saxophonläufe entwickeln ein melodisches Geschehen, in dem harte Soli der Gitarristen und düstere Tastenvariationen möglich werden. Und wenn sich die aufgeregte Stimmung etwas abgebaut hat, lyrische Momente zu Melancholie versacken und harmonische Stille aufkommt, setzt ein Trombonen-Solo ein, das diese Stille ungemein auskostet.
Die 5 Stücke bringen es auf 42 Minuten. Das eröffnende "Cos" ist eine kurze Einführung, die mit komischer Note schon einmal auflistet, was von den folgenden Songs erwartet werden kann. Und im verhaltenen "Under Dog´s Blues" setzt die Band die ersten radikalen Mittel ein. Das lässige Motiv, von Keyboard und Bass transportiert, entwickelt ausgezeichnete Improvisationen, von denen vor allem das Saxophon-Duett beeindruckt. Die beiden Tonspuren heizen sich gegeneinander auf und brechen in fast Free-Jazz-artige Läufe aus. Eine sehr emotionale Sache, die im folgenden Gitarren-Solo harmonischer, aber ebenso leidenschaftlich kommentiert wird. "Heap Suite" ist der erste Longtrack. In den 13 Minuten bleibt kein Stein auf dem anderen, die melodischen Motive der 4-teiligen Suite werden zerstört und wiedererschaffen, die Jazz-Harmonien explodieren in Avantgarde Rock, zersplittern in freitonalen bis atonalen Fetzen und werden über rasante FreeJazz-Attacken neu zusammengesetzt. Was sich hier wie die Ton gewordene Furie des Schreckens anhört, ist mit japanischem Augenzwinkern gespielt worden, tut, wenn man solches gewöhnt ist, nicht weh und baut das Selbstverständnis freier, progressiver Musik neu. Nicht zuletzt das lange, heftige Gitarrensolo wird die Ohren, die im freien Teil verwirrt werden, wieder beruhigen und bestens entschädigen. Zudem fallen die energetischen Parts hin und wieder in sich zusammen und klimpern sanft und lyrisch vor sich hin, die Ruhepole bauen die Sinne auf, so dass die lauten, schrillen, hochgepeitschten Parts nicht nur verdaulich, sondern gewünscht sind. Ein beeindruckendes Stück Musik, das seine heftige Seite im folgenden "afro zone" bestätigt sieht. Trotz aller Radikalität der langen Improvisation beruhigt der Groove-orientierte Rhythmus. Im 12-minütigen, abschließenden "DADA", das mit einer Schlagzeug-Salve beginnt und vital und virtuos durch die Gehörgänge rast, passieren wieder die wilden und lyrischen Differenzierungen.
Europäische oder amerikanische Bands wären zu diesen ungewohnten Verbindungen nicht in der Lage, weil allein der Rhythmus für Jazzmusiker inakzeptabel wäre und Rockmusiker diese FreeJazz-artigen Saxophon-Passagen nicht spielen würden. Doch die unabhängige kulturelle Entwicklung japanischer Musiker, die diese Musik erst entdecken müssen, um sie selbständig spielen zu können, haben keine Scheu vor Verbindungen der gewagtesten Art. Vielleicht spielt auch die japanische Folklore mit ihren für europäische/amerikanische Ohren eigenartigen Harmonien und Klängen eine Rolle, auf alle Fälle sind die Produkte japanischer Bands immer wieder verblüffend und überraschend. MorSof setzen, ob bewusst oder frei empfunden, genau hier an. "Heap" ist ein besonderes Werk, das kein Stück zurückgenommen ist, die emotionalen Seiten tief auslotet und selbstbewusst radikale und die Sinne weckende, erfreuliche Musik bietet. Unbedingte Empfehlung!
www5.plala.or.jp/killingfloor/mm_sm.html
musicterm.jp/poseidon/
musearecords.com
VM
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