Neal Morse "One" (Inside Out, VÖ: 01.11.2004)

Zuerst dachten alle, er sei futsch, als er seine Combo Spocks Beard verließ. Doch nun stellt sich heraus, dass dieser Schritt eher Befreiung als Flucht war. Neal Morse fand schon auf "Testimony" zu neuer, hoher Qualität - "One" schlägt den Vorgänger lässig um Längen!
Sicher hatte Neal Morse nichts Böses im Sinn, als er der Band, die er selbst stark geprägt hatte, den Rücken kehrte. Der Schritt war notwendig geworden. Spocks Beard wären zu "One" nie in der Lage gewesen, der stilistische Gürtel war schon zu eng, der bandtypische Klang festgefahren und vor allem hatte die Band in den letzten Jahren sehr an der Kommerzschraube gedreht, was ihnen Erfolg einbrachte, "One" aber wie ihre letzten Alben zu einem Popwerk gemacht hätte.
Neal Morse (key, g, voc) hat seinen Kumpel Mike Portnoy (dr) von Dream Theater angerufen und als Bassisten Randy George geordert. Abgesehen von Bass und Schlagzeug hat Neal Morse mal wieder alles selbst gemacht: Songs schreiben, Instrumente spielen, arrangieren, produzieren, … Was bei manchem anderen Musiker voll in die Hose geht, offenbart hier das Genie. Neal Morse ist ein begnadeter Musiker mit Herz und Seele.
"One" hat die Qualität zum Klassiker. So genial und überzeugend klangen Genesis, YES und Gentle Giant in ihrer besten Zeit. Von jedem dieser Vorbilder hat Neal typische stilistische Merkmale als Inspiration in seinen eigenen Klangkosmos verwoben. "One" mit seinen 79.57 Minuten ist eine Ode an den klassischen Progressive Rock, ein Geschenk an jeden Rockfreak, ein Meisterwerk.
Das Konzeptwerk behandelt die biblische Geschichte vom verlorenen Sohn. Doch längst werden die 8 Songs der CD nicht nur von endlosen Lyrics bestimmt. Hier gibt es fabelhafte und lange instrumentale Ausflüge mit Tiefgang und einer hinreißenden Überraschungsflut. Immer wieder setzt Neal zu neuen Ideen an, so vielschichtig und ja, wunderbar, war seine Musik lange nicht mehr. Vielleicht hat er erst jetzt sein Meisterwerk eingespielt.
"One" ist Progressive Rock der feinsten Schule. Dass solche Arbeit heute noch möglich ist, zeigt, dass Musik keine Ende hat und dass es Musiker gibt, die nicht zu Beginn der 1970er Jahre Platten einspielen mussten, um den Horizont progressiver Musik zu erweitern. "One" ist ein Muss.

nealmorse.com
VM



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