MMCircle "Requiem Pour Un Vivant" (Unicorn Digital Herbst 2008)

Schlagzeuger Martin Maheux, bandtechnisch bei den brillanten Frickel-Technik-Jazzrockern Spaced Out engagiert, bringt mit "Requiem Pour Un Vivant" die dritte Arbeit seines eigenen Projektes MMCircle auf den Plan. "Physics of light", 2002 veröffentlicht, präsentierte sein Jazzensemble mit klassisch geschultem Geiger. "Sibylle" aus dem Jahr 2006 vereinte gleichberechtigt Jazzband und Streichquartett miteinander. "Requiem Pur Un Vivant" nun zeigt die Intention des Schlagzeuger weiter gewachsen. Jazz findet weder instrumental noch stilistisch statt. Die fünf Parts des Werkes sind Neue Musik, oder, wie Frank Bender es ausdrückt, NeoKlasMus (Neue Klassische Musik).
Lizann Gervais (vi), Janie Massicotte (ce), Gaël Huard (ce) und Karine Lalonde (va) sind das Streichquartett, mit dem Martin Maheux arbeitet. Er selbst spielt Schlagzeug, nicht wie in der Rockmusik oder im Jazz üblich, als Rhythmusinstrument, sondern als melodische Komponente der Musik, die gewiss, sicher, eine starke dynamisierende und rhythmische Kraft hat. Die Melodiesprache der ersten vier Stücke hat düsteren Klang, ist elegisch und kraftvoll, nachdenklich und erhaben. Die Ernsthaftigkeit der Kompositionen ist überraschend, die völlige Abgewandtheit von Jazz und Rock verblüffend.
Martin Maheux' Kompositionen scheinen nicht die eines Rockmusikers zu sein. Als etwaige Vergleiche kommen mir Olivier Messiaen oder Witold Lutoslawski in den Sinn, aber das beißt. Möglicher Weise sind moderne klassische Komponisten Vorbild für "Requiem Pour Un Vivant" gewesen. Olivier Messiaen mit seiner oftmals rhythmusbetonten Musik ist jeden Falls nicht weit von Maheux' Arbeit entfernt. Die 4 Stücke spüren thematisch tief vor. Die ernsthaften Motive bauen in ihrem Lauf emotionale Spannungen auf, die sich in vitalen Kaskaden entladen. Dann auch wird Maheux' Schlagzeugspiel laut und radikal, wenn er sonst zumeist eher unterstützender Part als bestimmender ist. Es gibt keinen Vergleich zu Spaced Out oder seinen anderen zwei Arbeiten, "Requiem Pour Un Vivant" hat eine neue, eine brillante Qualität. Vermutlich wird ein Nachfolgewerk noch intensiver komponiert, noch weniger rhythmisch betont sein (oder wie bei Messiaen durch diverse Mallet-Instrumente geprägt).
Die fünfte und letzte Komposition des circa 45 Minuten langen Albums präsentiert Eric St-Jean am Flügel als weiteren Begleiter des Ensembles. Sein erhaben virtuoses, lebhaftes Spiel und der klare, große Klang des Flügels machen die Komposition eingängiger und nahbarer, als es die Strenge der vorherigen Stücke zuließ.
Mittendrin plötzlich wird kurzzeitig ein Motiv angespielt, das mich in Melodie und Dynamik stark an das einführende Motiv in "Just Take A Pebble" von Emerson, Lake & Palmer erinnert. Dieser Vergleich trägt sich etwa eine Minute, bis die Harmonie der Komposition ihren Faden soweit gesponnen hat, dass der Vergleich nicht mehr zieht.
Ohne Zweifel strebt Martin Maheux zur Neuen Musik. Seine qualitativen Fähigkeiten als Komponist sind gegeben. Für zukünftige Kompositionen rate ich ihm zu weitaus abstrakter gespieltem Schlagzeug sowie zu Mallet-Instrumenten. Die Kompositionen, die hier schon ungemein virtuos und klangfarbig sind, intensiver und vor allem leidenschaftlicher auszubauen. Ich sage nur: Agogik!

unicorndigital.com

VM



Zurück