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Mist Season "Woodlands" (Seacrest 2006)
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Der erste Höreindruck lässt mich noch nicht tief in die Musik eintauchen. Funky Bläsersätze auf groovigem Rhythmus laden zum Fußstampfen ein, die aufwendigen Arrangements sind eingängig und leicht nachvollziehbar, die Tiefe der Musik ist zu erkennen, da scheint keine Abgründigkeit auszumachen. Doch dann, jedes Hören öffnet weitere Böden und entführt in zuerst ungeahnte Sphären. Düstere Melancholien tun sich auf, dramatische und längst noch balladeske Naturgewalt, finnische Weite, der geahnte Norden, endlose Waldlandschaften und in allem sanfte, zarte Melodieflächen. Der inspirierte Mix aus modernem Progressive Rock, der weniger harter Rock als vielmehr epische Lyrik ist, im Verbund mit der disharmonischen Raffinesse intuitiven Jazzrock' und einer Idee von Folklore, wie sie in der modernen Rockmusik zu finden ist, ohne direkten Bezug zur historischen Folklore, eine Ahnung von Folklore, die zwischen den Tönen mehr zu fühlen als konkret auszumachen ist, geht auf.
Die 15 instrumentalen Tracks auf "Woodlands" machen 76 Minuten voll, der gute Fluss der Songs, der gemächlich flotte Gang des Albums, die etlichen Stilmerkmale, Soli und Bandinterplays machen in der Fülle der Zeit einen enorm guten Eindruck.
Nichts ist brachial oder besonders schräg, Mist Season haben kein Interesse an abstrakt harschen Klängen, ihr Augenmerk liegt in der Beschreibung weiter finnischer Naturlandschaft und ihrem Empfinden und Vermögen, dies auszudrücken. Als verbindendes Glied zieht sich das vierteilige, etwa 15 Minuten lange "Cartway across the Branches" durch das Album, in dem passieren kann, das auf ein beherztes Akkordeon ein schneidiges Gitarrensolo folgt, untermalt von jazztrunkenen Keyboards und einem Rhythmusgeschehen, das komplex und eingängig zugleich ist und die epische, erwachsene, in aller Nüchternheit doch satte Soundsprache der Band vital und kraftvoll untermauert. Die sechs Bandmusiker und ihre sieben partiell einspringenden Gäste haben erstklassige eigenwillige Arbeit geleistet, die nicht den Avantgardisten oder den Härteforschern im Progressive Rock gefallen will, sondern den Schöngeistern, die epische Weite und folkloristische Lyrik mögen.
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VM
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