Martigan "Vision" (Eigenproduktion 2009)

Sieben Jahre sind seit ihrem letzten Studioalbum "Man of the Moment" vergangen, in der Zwischenzeit hatten Martigan eine DVD veröffentlicht (im Jahr 2004), zuletzt hatte Bassist Peter Kindler (b) sich aus der Band verabschiedet, dass Kai Marckwordt (lead voc, g), Oliver Rebhan (keys), Alex Bisch (dr, voc) und Björn Bisch (g) nun auf der Suche nach einem Nachfolger an der vakanten Position sind.
Die Musiker betreiben ihre Band gewiss nicht als Brötchenerwerb, sondern neben Beruf und Familie, ihr kreatives Engagement hat somit nicht Möglichkeit und Zeit, sich jederzeit auszutoben. So, wie sich das fast 80 Minuten lange Album anhört, hat die Band keine Voreile aufkommen lassen und jedes Detail wohl durchdacht.
Diese Detailverliebtheit ist der Unmenge Ideen anzuhören. Es ist ein Kreuz mit den langen Tracks im keyboardbetonten Symphonic Prog, mag sich mancher Keyboarder denken, es gilt, unendlich viele, Situations- und stimmungsangepasste Sounds zu finden - nicht einfach nur Melodien, Harmonien oder solistische Läufe - und was allein das bedeutet… Oliver Rebhan hat gute Arbeit getan, neben symphonischen Partien, von denen es unzählige und vielfältige gibt, klingen etliche verspielte Ideen durch, und ambiente Sounds breiten sich über die Songs aus. Die instrumentalen Parts sind - nicht nur was die Keyboardarbeit betrifft - sehr ausgewogen, schwelgen im Schönklang, einige Arrangements sind cleverer und stärker, andere schlichter und weniger wirkungsvoll. Einige Keyboardsounds finde ich jedoch obsolet, überlebt, vor allem die rhythmisch scharfkantigen Orchesterklänge, wie Yes sie in den 1980ern spielte, haben ihren Zenit überschritten.
Gitarrist Björn Bisch macht seine Sache sehr gut, spielt kraftvoll und weiß die symphonischen Flächen, die der Neoprog Martigans ausgiebig auskostet, mit etlichen ausgedehnten Gitarrensoli zu schmücken, sein Bruder Alex am Schlagzeug hat perfekte Arbeit getan, Komplexität und Eingängigkeit anspruchsvoll zu verweben. Die Band klingt inspiriert und akzentuiert und bringt ihre vielen Ideen energisch und vital rüber. Die leisen Parts sind wie die erregten Momente stark ausgeprägt und können durchaus überzeugen. Der Gesang ist gut eingebracht, am besten gefällt er mir in "Much More", die Band spielt heftiger und dreckiger und Sänger Kai Marckwordt nutzt die Möglichkeit, seine Stimme kommt an ihre Grenzen, wirkt lebendiger, direkter und aggressiver als in den anderen Songs. Schöngeistige wie theatralische Parts weiß er ausdrucksstark zu intonieren.
Nur auf die Refrains, jeden einzelnen in jedem Song, und ihre Arrangements kann ich getrost verzichten. Ohre die Refrains wären die Songs vielleicht etwas kürzer, aber um wie viel besser! Die Refrains sind popbetont, viel zu lang, zu eingängig, die instrumentale Begleitung süßlich und wenig abstrakt.
"Vision" ist vielschichtiger und komponierter als jedes Album der Band vorher. Die Ideenfülle der acht Songs, von denen gleich zwei über 20 Minuten reichen, ist enorm. Und obschon der Bandsound nahe (frühen) Marillion liegt, die mir gar nicht liegen, empfehle ich die CD. Wer auf schöngeistigen Symphonic Neoprog steht, sollte Martigan seine Aufmerksamkeit schenken.

martigan.com
VM



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