Marblewood "Marblewood" (Taliesyn Productions 2014)


Nachdem ich das Album etliche Male hörte, lese ich das erste Mal die Informationen auf der Verpackung und da fallen mir zwei Namen ins Auge, die mir bekannt sind: Marc Walser (g, voc) und Ariane Bertogg (b). Dann dauerte es eine Weile, bis ich dahinterkam. Die beiden waren mit Ginger aktiv, spielten dort einige Alben ein. Mit David Zurbuchen (dr) haben sie jetzt das Trio Marblewood aufgemacht. Ein neues Kapitel? Ein (weiteres) Projekt? Vermutlich die neue Band. Auf der (informativen und völlig ausreichend) nett einseitigen Webseite gibt es keinen Hinweis auf Ginger, da liegt wohl ein Bruch vor, der nicht ausgeheilt ist.
Das Debütalbum, 70:10 Minuten und 5 Songs plus epischem Bonustrack lang, kann über die Band als CD oder LP erstanden, oder, bei Bedarf, kostenfrei heruntergeladen werden.
Es gibt schweren, schön fetten, basslastigen Retro-Hardrock zu hören, der seine Inspiration in den späten Sechzigern und frühen 70ern bezieht, ein paar Spuren Doom als aktuelle Würze hinzugibt und lässig und schön entspannt aus den Boxen blubbert.
Die Songs haben ihren Gesangsteil, der relativ liedhaft ist. Immer schön heavy und schwerlastig, im Gesang aber melodisch einfach nachvollziehbar bleibt. Die Stimme des Herrn: wirkt etwas überlastet, Roger Chapman wäre der richtige Mann für diesen Sound. Oder gleich Phil Mogg von UFO, dessen Mick Bolton (siehe "Flying" 1971) Marc Walser im Gitarrensolo nacheifert und seine Sache dabei sehr gut macht. Dennoch: Marc hat Stimme, die nur etwas zu schwach und jung wirkt. (Im Vergleich zu Phil Mogg fehlt da wohl der literweise Schnaps samt zahllosen Zigaretten.)
Das ausgedehnte Gitarrensolo in "Kailash" ist es denn auch, was mich am meisten anspricht. Wie überhaupt die instrumentale Ausarbeitung der Songs im schick verschnörkelten Jam schön poltert und kracht. Wie Ariane Bertogg ihren Bass zu Einsatz bringt, kann sich hören lassen und passt perfetto. Kein Stück weniger gut abgehangen ist das Schlagzeugspiel von David Zurbuchen, der zwar nicht besonders komplex spielt, aber längst nicht schlicht und billig, sondern schön differenziert.
Die Songthemen basieren auf Blues und Hardrock, sind eher schlicht und Groove-basiert, ohne blöd oder langweilig zu sein. Die besondere Note ist die elegante Lässigkeit, mit der das Trio seine Songs zelebriert. Das hat Flair und Ausdruck. Wenn jetzt der Mann an den Studioknöpfen die Basstrommeln tiefer baumeln ließe und die Schlagzeugbecken in feinste Höhen tarierte; die Band noch eine Schippe Jazz raufkippt und - schon machen Marblewood die Rockwelt gänzlich verrückt. Aber so sind sie auch schon gut unterwegs.
Im dritten Track "Splendour", knapp 10 Minuten lang, sind Gäste zu hören. Sarah Weibel (voc) und Sandro Hussel (Dilruba, Esraj) ergänzen das Line-Up und tragen gut was zur feinen Komposition bei (oops, noch gar nicht erwähnt, Gast Numero Uno: Organist Michael Marti ist fast an jedem Song beteiligt - manchmal macht er die Atmosphäre des Songhintergrundes farbig, manchmal ist sein Einsatz stärker und dominanter). Sarahs Stimme ist nix Pop, hat Kraft und Dunkelheit. Gut zu hören, dass dies nicht der erste Song ist, den sie singt. Die ethnischen Instrumente, die mir namentlich bislang nicht erinnerlich bekannt sind, kommen im Intro und später zur Geltung. Zwar haben sie keinen großen Raum, aber ihr Einsatz ist perfekt und unterstützt das Thema sehr ansprechend.
Die englischsprachigen Texte schrieb Ariane mit Marc Walser, in einem Fall allein. Es geht um "Postwar Apocalypse", um den Anfang und das mögliche Ende der Menschheit, die Mutter ("Kailash"), die Möglichkeit des Zusammenbrechens aller (politischen) Systeme und atmosphärische Worte ("Silence") - in kritischen, nachdenklichen Texten und mit Meinung.
Als Bonus angehängt ist zuletzt das 21:14 Minuten lange "In the Beginning" zu hören. Der Sound ist nicht schlechter als insgesamt auf dem Album. Es gibt keinen Text, hier geht es rein ums Jammen. Und das kann das Trio+ (Orgel) sehr gut. Marblewood haben ein feines Gespür für nachdenkliche, düstere Songs mit viel Atmosphäre, in denen gut etwas passiert. Als uralter Gitarrensolo-Fan kommt mir die weitere UFO-Parade nur gelegen. (Wenn meiner Meinung nach "Phenomenon" deren bestes Oberhammer-Album ist, so ist die Stunde Spacerock auf "Flying" für mich persönlich nur sehr anregend.) Und ja, die Schublade 'Spacerock' vergaß ich. Kann hier auch vernachlässigt werden. Ins All wollen Marblewood nicht. Eher in die große Scheune im Wald. Und stundenlange Konzerte geben.
Wann? Wo?

marblewood.net
VM



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