Manfred Mann's Earth Band "Odds & Sods - Mis-takes & Out-takes" (Creature Music Limited 2005)

4-CD-Boxen sind der Renner. Jede Band, die etwas auf sich hält, stellt so ein Teil zusammen. Die Klassiker der 70er würden dumm sein, wenn sie sich diesem Goldesel sperren würden. Viele Box-Sets jedoch enttäuschen leider. Das enthaltene Programm ist zumeist auf den originalen Scheiben der Bands vorhanden, die man sowieso hat, wenn man sich dafür interessiert. Etliche Bands haben erst solche unnützen Box-Sets veröffentlicht, und später besseres Material nachgeschoben. Keine Ahnung, ob Manfred Mann's Earth Band bereits eine 4er Box auf dem Markt hat, diese jedenfalls hat aus den Fehlern alter Boxen gelernt und sich nicht nur ganz besonders herausgeputzt, sondern den Inhalt bestens präpariert.
Der Titel sagt es bereits: "Mis-takes & Out-takes" sind drauf, anders gesagt: bisher nicht veröffentlichte Songs oder Versionen von Songs. 24 Stück an der Zahl, die so noch nie zu hören waren, dazu ein paar US only Releases, Konzertmitschnitte - und etliche ganz normale Songs.
Für Old School Rocker ist die erste CD eine echte Herausforderung. Nicht nur, dass Manfred Mann seine im Booklet abgedruckte Diskographie mit Chapter Three beginnt, als seien die beiden Chapter Three Platten ganz normaler Teil der Earth Band, etliche Songs stammen auch von der Truppe. Da gibt es eine fabelhafte und ausgedehnte Brass Version von "Messin'" namens "Messin' Up the Land" sowie eine ebensolche Variante von "Saturn, Lord of the Ring/ Mercury the Winged Messenger" vom Album "Solar Fire" namens "Fish".
Die CDs sind gut sortiert, nicht ganz der Reihe, aber dem Alter der Aufnahmen nach und damit der Phase der Band entsprechend. CD1 findet von 1969 bis 1974 statt, davon sind die meisten Tracks sehr interessant, einige Popstückchen sind darunter, aber auch schon eine frühe Dylan Coverversion, Manns Lieblingsbeschäftigung. Wer Chapter Three nicht kennt, findet hier einen guten Einblick und überhaupt sind die 9 unveröffentlichten Songs ebenso toll wie rare Singletracks und die paar ganz normalen Albumtracks. Leider jedoch gibt es keine Wahnsinnsentdeckungen. Die Phasen von "Solar Fire" und "The Good Earth" sind absolut unterpräsent und weder durch interessante Livetracks dokumentiert, die das improvisative Talent der Band bezeugen könnten und worauf die süchtigen Freaks mit Argusaugen spekulieren, noch durch etliche differierenden Varianten dabei. Schade! Die 4-CD-Live-Box aus den Jahren 1973/74 muss erst noch geschmiedet werden (die Earth Band ist eine der wenigen großen Rockbands der frühen 70er, die sich kein 2LP Livealbum leisteten, warum auch immer!?!).
CD2 scheint nicht in die Kategorie der Box zu passen. Das Gros der Songs sind völlig normale Album- oder Singletracks. Einige Stücke von 1971/72 sowie 84-92 sind die Ausnahme, der Rest stammt von 1975-77, der Phase, als die Earth Band in den Melodic Rock Mainstream stiefelte und die großen Hallen füllte. Einige nette Sachen sind natürlich auch bei, etwa "Spirits in the Night" in der Studioversion von 1976 oder "Pretty Good" und "Quit Your Low Down Ways" (beide 1975) als bisherig nur in Amerika realisierte Tracks.
Aber die reihenweisen Albumhits dieser Jahre klingen halt schön und machen sich hier auch gut. Die letzten 4 Stücke stammen von 1984 bis 1992. Plötzlich gibt es dieses beschissene 80er Jahre Peitschschlagzeug zu hören, ein Übel, für das die 80er noch in hundert Jahren bestraft werden müssten. Manfred Mann hat sich darein gestürzt und ist in dem Billigrhythmus mit Wonne aufgegangen. Die Songs rocken auch nicht mehr, alles klingt wie Dancepop, bedient den Zeitgeist und ist heute voll out.
Auf der 3.CD, die noch einmal in die 70er zurückgeht, kann man wieder einige nette und viele bisher unveröffentlichte Tracks oder Versionen von Tracks hören. Doch 1982 begann der Diskorhythmus und damit hat sich die Band selbst einen Strick gedreht. Die 1981er Songs noch sind mit echtem und differenziertem Rockrhythmus ausgestattet, alles danach klingt mit dem peitschenden E-Drum-Sound poppig, alle Arrangements sind auf der Popschiene.
Netter Weise sind auch Tracks von Manns Soloscheiben dabei, etwa einige zarte und sehr schöne Tracks von "Plains Music".
CD4 steht für die 90er und 200er Phase der Band. Von 1990 bis 2002, um genau zu sein, stammen die Aufnahmen. Der Popbeat ist gewichen, dafür wird der Rhythmus jetzt eher diffus und leise gehalten, arbeitet die Band sich in einen weltmusikalischen Zirkel hinein, den sie 10 Jahre früher auch schon einmal bediente. Bis auf einen Track sind ALLE Songs dieser CD bisher unveröffentlicht. Darunter eine 2001er Liveversion von "Davy's On The Road Again" (als einziger Version des Hits auf der Box), einige Covertracks und gar einem live gespielten ABBA-Hit ("SOS" als melancholischer Ballade). Überhaupt ist die Band auf dieser CD wie in den letzten Jahren überhaupt leise geworden. Sicher, Manfred Mann ist nicht mehr der Jüngste, bereits in den frühen 60ern hat er mit Popsongs von sich Reden gemacht.
Das Booklet präsentiert eine Reihe interessanter und unbekannter Photos, einen geschichtlichen Abriss Manfred Manns und seiner diversen Bandbesetzungen, Track für Track eine kurze Beschreibung sowie jede Menge Informationen.
Für jeden Fan der Band ist etwas dabei. Jede Phase hat ihren Part in der Box, das ist leider auch das Problem. Nur die Hardcore Fans der Band werden alle vier CDs brauchen. Alle anderen werden sich auf ihren Teil stürzen. Überwiegend ist die schön und Wert schöpfend aufgemachte Box für die Popfans der Band interessant. Die Old School Rocker warten auf die hoffentlich in Manns Archiv schlummernden diversen interessanten und von Improvisationen und Materialschlachten überbordenden Konzerte von 1973 und 1974.

VM



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