Man "Man" (1970, Esoteric Recordings 2007)

Das selbstbetitelte Album der Walisen Man stammt direkt aus ihrer experimentellsten Phase. Alles war damals möglich. So ist hier nach den sechs Minuten des stampfenden, gut abgehangenen Boogie-Rockers "Romain" der kurze, luftige Countrysong "Country Girl" zu hören. Kaum mehr als ein Witz, haben Man sich wie im Opener und den 3 folgenden Songs viel Mühe gegeben und die Arrangement rau und rund, kratzbürstig und eingängig gestaltet. Während die Rockfreaks den wilden Psychedelic-Songs lauschten, legten die Mädels sich die Single-Auskopplung auf und versanken in blumigen Gedanken…
Micky Jones (g, voc), Deke Leonard (g, p, voc), Clive John (keys, voc), Martin Ace (b, acc-g) und Terry Williams (dr, perc) experimentierten auf ihrem dritten Album ausführlich. Das dritte Stück "Would the Christians Wait Five Minutes? The Lions Are Having a Draw" führt sein spannendes Motiv über 13 Minuten aus, das wäre in reglementierten Folgejahren nicht mehr möglich gewesen. Aber die Zeit schrie nach experimentellen, psychedelischen Epen und Man hatten ein extravagantes Händchen dafür. Einiges am dritten Song klingt wie Pink Floyd zu "Echoes"-Zeiten, und dennoch ganz anders. Es ist der Zeitgeist, der die Bands anstiftete, sich in ausgedehnten, balladesken Rockweiten zu entspannen.
Nach dieser wundersamen Komposition folgt der Boogie-basierte Hardrocker "Daughter of the Fireplaces" als komplexester Song auf der Platte. In den 5 Minuten ist schon mal eine Ahnung vom späteren Punkrock zu spüren. Die typisch britische Komposition ist aber ganz Bluesrock auf schön vertrackter Rhythmusbasis, die immer wieder bricht, um der Note neuen Schwung zu geben.
Anschließend ist das Meisterwerk der LP zu hören. "Alchemist" wurde auf über 20 Minuten ausgedehnt. In songdienlichen Zeiten wäre die Note kaum mehr als 4 Minuten lang, etwa das, was von der 4. bis zur 9. Minute passiert. Doch hat "Alchemist" in dieser Länge ungemein Spannung und musikalisches Flair, später ging solcherlei phantasievolles Spiel der Rockmusik leider wieder verloren. So klang abgefahrener, experimenteller Psychedelic Rock in seiner besten Form.
Als Bonustrack sind die beiden letzten Stücke noch einmal dabei. "Daughter of the Fireplaces" in dreiminütiger Singleversion und "Alchemist" in seiner ersten Version, die über 24 Minuten lang ist und deutlich interessanter klingt. Lediglich das rockige Motiv von der 4. bis zur 9. Minute hat noch nicht seine Vitalität und Tiefe gefunden.
Das Album ist nunmehr über 76 Minuten lang. Ebenso wie die bereits von Esoteric Recordings veröffentlichten, digital remasterten und um Bonustracks ergänzten Alben "Live At The Padget Rooms, Penarth", Do You Like It Here Now, Are You Settling in?", "at the Patti", "Be Good To Yourself At Least Once A Day" und "Rhinos, Winos & Lunatics" ist dieses experimentelle Werk für Fans grandiosen Psychedelic Rocks nur zu empfehlen.

cherryred.co.uk
VM




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