Mahogany Rush "Mahogany Rush IV / World Anthem" (Sony BMG 1976/77, BGO 2008)

Mahogany Rush war und ist das Baby von Frank Marino. Der Gitarrist hat nur ein ganz großes Vorbild: Jimi Hendrix. Auf allen seinen Alben ist das zu hören. Der Stil seines Gesanges, seine Art, Gitarrensoli zu spielen. Die Kompositionen hingegen sind nicht unbedingt in allen Phasen Hendrix-gleich. Die Phase Mitte der Siebziger Jahre, als diese beiden Platten auf den Markt kamen, schwebte Frank Marino ein Sound zwischen sattem Hardrock, funky Diskorock und melodisch-symphonischem Progressive Rock vor. Es war nicht die Zeit, brachial harte Songs zu schreiben. Etwa die Hälfte der auf zwei CDs verteilten 17 Songs ist tanzbar, wenn auch Hardrock, stark von funky Diskorock beeinflusst. Die andere Hälfte schwelgt in Synthesizer- und Mellotron-Sounds, die dennoch nur Basis für im Rampenlicht stehende Gitarrensoli sind und sich als Progressive Rock nicht durchsetzen können. Stets ist Marinos Vorliebe für Hendrix herauszuhören.
Jim Ayoub (dr, perc) und Paul Harwood (b) sind die Begleitcrew für Frank Marino, der bis auf ein Synthesizer-Solo, für das er sich bei Phil Bech bedankt, alle weiteren Instrumente (g, synth, mel, perc, Tympani) gespielt und den Gesang übernommen hat.
Mit genialen Arrangements ziehen die kanadischen Hardrocker in den Bann, gerade die instrumentalen Partien, in denen Marino wilde Gitarrenorgien auf seiner geliebten 1961 Gibson SG Les Paul zelebriert, worin stets ein Hauch seines Vorbildes steckt. Selbst die poppigen Songs werden in instrumentalen Parts zu wahren Rockern mit eigener Dynamik und vitaler Energie. Anspieltipp auf "Mahogany Rush IV" ist das dreiminütige "Little Sexy Annie", in der humorvollen Note geht ordentlich die Post ab. Die Harmoniespielereien sind gigantisch und werden jedem Hendrix-Fan eine Nostalgie-Träne in die Augen treiben. Wo wäre der Meister damals selbst gewesen? Doch Marinos Mahogany Rush ist niemals nur eine Epigonen-Band gewesen, dafür sind die Songs des Trios viel zu eigenständig. Die Kompositionen sind nicht mit Hendrix zu vergleichen. Starke Songs sind darunter, etwa "Dragonfly" oder "IV… (The Emperor)", kernige Hardrocker, schwermütig, symphonisch und bombastisch.
Beide Alben, die auf Grund ihrer Lauflänge auf 2 CDs verteilt wurden, unterscheiden sich nicht besonders. Frank Marino hatte seinen Stil zu dieser Zeit schon verfeinert. "World Anthem" ist insgesamt etwas instrumentaler angelegt. Die Songs haben zwar Texte und Gesang, in den 4 bis 11 Minuten langen Songs hat Marino jedoch verstärkt Wert auf lange instrumentale Passagen gelegt. Für den bombastischen instrumentalen Titeltrack, der Welthymne, ist ein engagierter Text im Booklet zur CD in 11 Sprachen nachzulesen. Kommerzielle Vorstellungen waren und sind Frank Marino fremd. Gewiss kann er auf Pop getrimmte Musik verstehen, die Idee nachvollziehen. Aber es war nie sein Ding, in diese Richtung zu arbeiten. Vielleicht ist er, als Gitarrist und Bandleader, deshalb eher ein Geheimtipp geblieben. Die beiden LPs, jetzt in einer 2CD vereint, sind ein Tipp für Fans großartiger Rockmusik aus den 1970ern.

mahoganyrush.com
bgo-records.com
VM



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