Magic Pie "motions of desire" (Magic Pie 2005)

Die Entstehung von Magic Pie ist quasi eine basisdemokratische Angelegenheit gewesen. Vor drei Jahre begannen Eirik Hanssen (voc), Lars Petter Holstad (b), Gilbert Marshall (key, voc), Jan Torkild Johannessen (dr), Allan Olsen (voc) und Kim Stenberg (g) in steten Unterhaltungen, über die Gründung der Band zu sprechen. Die Idee war, einen progressiven Sound zu kreieren, der den Geist der 70er und die modernen Einflüsse des heutigen Progrock ausdrückt. Das war insofern schon nicht ganz einfach, weil jeder Musiker andere Einflüsse mitbringt und längst nicht alle vollkommen auf progressive Musik abfahren. Die interessante Internetseite der Band (Link am Ende des Textes) zeigt die jeweiligen Vorlieben. Alle hatten bereits in anderen Bands und Projekten und verschiedenen stilistischen Genres gearbeitet, doch Magic Pie sollte die Verwirklichung eigener gemeinsamer musikalischer Vorstellungen werden.
Zuerst spielten Magic Pie Songs anderer Bands nach, bis sie keinen Bock mehr darauf hatten und sich auf eigene Kompositionen konzentrierten. Das kann als Start dessen gesehen werden, was als Ziel die CD "motions of desire" geworden ist.
Neben der Idee, progressive Rockmusik zu spielen, gab es keine Vorstellungen, wie diese oder jene Band zu klingen. Die Band wollte sich nirgends anlehnen, sondern einen ganz eigenen Sound kreieren. Das ist dem Sixpack auch gelungen. Mal abgesehen davon, dass die Band natürlich keinen neuen Stil erfindet, ist ihr Querschnitt durch progressive Spielarten sehr angenehm und recht eigen. Old School Heavy Prog ist ein großer Anteil, daneben sind Hardrock der 80er, Einflüsse aus Melodic Rock, Neoprog und Modern Prog auszumachen. Insgesamt geht "motions of desire" als Retroprog Album durch - und hier soll der Stilbeschreibungsschwachsinn beendet werden.
Die Band ist sehr ambitioniert und fiebert sich durch ihre Songs, hier und dort wird es richtig leidenschaftlich, vor allem, wenn der Härtegrad angezogen wird und die Gitarre schön toben darf. Das Rhythmusgeflecht ist fein gesponnen, könnte teilweise etwas forscher und verrückter sein, ist jedoch sehr beeindruckend und ausdrucksstark. Vor allem die Bassarbeit weiß sich in Szene zu setzen, selbst in Soli von Keyboard oder Gitarre webt der Bass im Untergrund ein ultraspannendes, hoch melodisches und virtuoses Spiel. Vor allem die langen instrumentalen Passagen sind von großer Faszination. Da jubiliert die Gitarre, geht der Keyboarder weit aus dem songorientierten Rahmen hinaus und die gesamte Band baut diese temperamentvollen und erregenden Harmonien, wie sie in den 70ern von den großen Bands vor allem live abgeliefert wurden. Da verliert man das Gefühl für den Augenblick und versinkt ganz in den Fluten der instrumentalen Orgie.
Die Gesangspassagen sind ebenso gelungen, nicht besonders ausgeflippt, sondern von recht herkömmlicher Struktur, doch sehr gut strukturiert und vor allem stimmlich stark. Die seltenen Satzgesänge haben die Sänger nervös gemacht, zwar sind keine melodischen Unsicherheiten zu erkennen, doch die Stimmen kommen etwas zaghaft und darauf bedacht, die melodische Linie zu halten. Etwas mehr Mut hätte mehr Hörvergnügen gebracht.
Neben dem blassen Klang dieser ersten Auflage der CD (siehe weiter unten) sind das einzige wirkliche Manko der Produktion die etwas sehr süßlichen Refrainarrangements. Das Keyboard übertreibt mit dem Schönklang und verliert sich mit der komplett von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellten Band im Jubilieren. Das hält glücklicher Weise nicht lange. Schnell dreht Kim Stenberg seine Gitarre wieder auf und bricht in härtere Gefilde aus. Und genau in diesen Momenten, wenn die Band ihre Schwachstelle verlässt, wird es richtig gut. Für das zweite Album, das so sicher wie das Amen in der Kirche kommen wird, der Tipp an die Band: weniger süßliche Harmonien, etwas mehr Mut und Eigensinn bei den harmonischen Fallen und etwas mehr Sinn für abstrakte Harmonien.
Und weil die CD so gut ist und sich langsam herumgesprochen hat, dass es da eine neue Band gibt, von der keiner weiß, wo sie denn nun wirklich lebt, haben Magie Pie einen Plattendeal mit dem schwedischen Progress Records Label unterschrieben. "Motions Of Desire" wird am 18. Juli gleich noch einmal neu veröffentlicht, mit einem wirklichen Booklet ("extended") und im remasterten Sound. Nette Sache, das!

magicpie.net
progressrec.com
VM



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