James MacMillan "Veni, Veni, Emmanuel; Tryst" (Naxos 1998)

Die für das Scottish Chamber Orchestra in Auftrag gegebene und auf dem gleichnamigen Advents-Choral basierende Komposition ?Veni, Veni, Emmanuel? zählt meines Erachtens zu den interessantesten Percussion-Konzerten, da hier einerseits ein großes Spektrum perkussiver Klangfarben zum Einsatz kommt und andererseits das Spiel des Soloperkussionisten nicht effektheischend im Vordergrund steht, sondern in das orchestrale Klanggewebe eingebettet ist, sich mit diesem gar in einem stetigen Dialog befindet. Schon die Debütaufnahme dieses Stückes von 1993 mit dem oben erwähnten Orchester und der Solistin Evelyn Glennie ist beeindruckend, doch noch gelungener in puncto Expressivität des Gesamtklangkörpers und spielerischer Präsenz des Solisten Colin Currie ist die Einspielung des Ulster Orchestra unter der Leitung von Takuo Yuasa aus dem Jahr 1997, was höchst eindruckvoll die nicht zu vernachlässigende Bedeutung des interpretatorischen Modus operandi für den Charakter eines Werks unterstreicht. Zwar ist das Stück einsätzig konzipiert, doch lassen sich, obwohl keinerlei Brüche festzustellen sind, mehrere Teile voneinander unterscheiden. In der Eröffnungssequenz präsentiert der Solist exemplarisch die Instrumentengruppen Metall, Holz und Fell. Immer wieder werden im weiteren Verlauf neoromantisch klingende Passagen, die bisweilen an Copland erinnern, von leicht dissnonant angelegten Einsprengseln überlagert ? fast schon als hektisch zu bezeichnende Ausbrüche kontrastieren mit Momenten erhabener Ruhe. Auch Marimba und Vibraphon kommen neben den verschiedensten Trommeln, Holzblocks, Gongs und Becken zum Einsatz und verlangen vom Perkussionisten virtuoses Spielvermögen. Diese hohen Anforderungen meistert Currie spielend und zeigt sich als damals Zwanzigjähriger äußerst souverän. MacMillan zitiert gewissermaßen als Höhepunkt den namensgebenden Choral und macht darüber hinausgehend den Versuch, den Text von Lukas 21, Vers 25 ? 28, in dem unter anderem von Toben und Donnern sowie der Ankündigung des Erlösers die Rede ist, mit musikalischen Mitteln auszudrücken. Am Ende des Stückes wird der Bogen thematisch vom Advent zum Osterfest, das mit der Auferstehung Christi untrennbar verbunden ist, geschlagen.
Das zweite Stück ?Tryst? ist beileibe kein Füllmaterial, wie dies gelegentlich bei anderen Produktionen der Fall zu sein scheint, sondern ist ? wiederum einsätzig angelegt - von einer ähnlichen Qualität. Hier war ein schottisches Liebesgedicht gleichen Namens die Grundlage für ein Flechtwerk fein ziselierter Dissonanzen, die aber meist rasch melodisch ?gebrochen? werden. Latente Anklänge an ?Fratres? von Pärt, für die sich vor allem die Streicher verantwortlich zeichnen, werden gelegentlich manifest und erzeugen eine unterschwellige Spannung, die man schon fast als angenehmes Unbehagen bezeichnen könnte.
Beide Stücke bringen es jeweils auf eine Spielzeit von über 25 Minuten und machen Lust auf mehr.

Frank Bender



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