Love Sculpture "Blues Helping" "Forms and Feelings" (Parlophone 1968/69, Esoteric Recordings 2008)

In den späten Sechzigern begannen eine Menge britischer Beatgruppen Blues zu spielen. Bluesrock war plötzlich in, nachdem einige wenige Bands schon etliche Jahre mit eher kleinerem kommerziellen Erfolg gute Alben veröffentlicht und sich durch Konzerte einen gewissen Namen gemacht hatten. Die Plattenfirmen entdeckten den Boom für sich und rekrutierten Bands. EMI fragten bei der 1968 just aus der Beatband Human Beans gewachsenen Truppe Love Sculpture an. Dave Edmunds, der später solistisch Karriere machen sollte, Gitarrist der neu gegründeten Band, kannte sich mit Blues nicht besonders aus und hörte sich in der Folge einige Platten an. Kaum zu glauben, dass er nicht süchtig nach Blues war, die hohe Qualität und musikalische Intensität gerade seines Gitarrenspiels auf dem Debüt der Band, das den bezeichnenden Titel "Blues Helping" trägt, sind immens. Es war die zweite Besetzung Love Sculptures, die die beiden Platten der Band einspielten. Neben Edmunds waren John Williams (b, voc, key) und Bob Jones (dr, voc) in der Band.
Das Debüt enthält 11 Songs, überwiegend Bluesrocker, die sich besonders durch Dave Edmunds schneidend scharfes, Hardrock und Metal vorwegnehmendes Gitarrenspiel und seine rasanten Soli vortun. Fast nur Klassiker interpretiert das Trio, lediglich das abschließende Instrumental ist eine Bandkomposition. Einige wenige balladeske Stücke sind dabei, überwiegend rockt die Band. Der Klang des damals gerade ausklingenden Beat ist mit seinem verhallten Sound noch zu hören, was die Aufnahmen sympathisch macht. Die Songs leben durch die satte, reife Einspielung, und Edmunds Soli. Die vier auf der CD enthaltenen Bonustracks stammen aus den Jahren 1967 und 1968, sind kein Blues und zeigen die ersten Schritte der Band.
Einen großen Schritt nach vorn machte das Trio mit ihrem 1969er Follow-Up. "Forms and Feelings" hatte Bluesrock hinter sich gelassen. Hardrock und Klassikrock hatten Love Sculpture sich auf die Fahnen geschrieben. Vor allem das 11-minütige, das Album abschließende "Sabre Dance" hatte es den damaligen Rockbegeisterten angetan. Das Arrangement haben sich die Holländer Ekseption gewiss genau angehört und ihre Version, bis auf die Gitarrenarbeit, verblüffend ähnlich gestaltet.
Dave Edmunds soliert über viele Minuten. Hätte er eine Motorsäge statt der Gitarre und ähnlich damit gearbeitet, das Studio wäre in nur noch zentimetergroße Partikeln zerfallen. Wahrhaft Heavy Metal, was in dieser klassischen Khachaturian-Komposition an brachialen, heftig aggressiven Sounds zu hören ist.
Aber nicht dieser Song allein macht das Album interessant. Opener "In the land of the few" ist ebenso wie das darauf folgende "Seagull" und auch "People, People" eine begnadete Rockballade mit hinreißenden Harmonien, völlig frei von Kitsch. Das siebenminütige "Why (How-Now)" folgt dem schneidend harten Rocker "Nobody's Talking". Hier wie vordem spielt Dave Edmunds sich die Finger blutig. Der Chorgesang klingt noch ganz im Beat verwachsen, was das Trio instrumental veranstaltet, hat später Speedmetal inspiriert. Edmunds Spielart und sein harter rauer Gitarrensound sind ungemein inspirierend, warum nur, kommt unwillkürlich die Frage auf, hatte die Band mit diesen mordsguten Songs nur wenig kommerziellen Erfolg?
Das die erste LP-Seite abschließende "Farandole (from L'Arsienne)", eine Komposition von George Bizet, nimmt schon mal den Speedmetal von "Sabre Dance" vorweg. Es scheint, die Band wolle Feierabend machen und nur noch schnell einen heftigen Rocker einspielen. Was für eine Rasanz! Grandios!
Auf der zweiten LP-Seite setzt die Band ihre Tour De Force unvermindert fort. Ob Rock'n'Roll, Hardrock oder Klassikrock - alles ist heavy und schneidend hart gespielt.
Sechs Bonustracks sind auf der CD enthalten. Mit "Think of Love" ein Rocker, der nicht auf der LP war, sowie fünf Singleversionen von LP-Tracks, die ihren großen Brüdern in Intensität nicht nachstehen, aber weniger lange Gitarrensoli und gekürzte Instrumentalparts haben.
Nach "Forms and Feelings" brach das Trio auf Grund des geringen kommerziellen Erfolges auseinander, Dave Edmunds probierte ein neues Line-Up, das jedoch keine neuen Aufnahmen einspielte, und ging daraufhin solo. Bob Jones fand in Sassafras einen Platz, John Williams verschwand aus der Szene.
Love Sculpture, an der Grenze zwischen Underground und Progressive, waren mit ihren harten und Klassik covernden Klängen zu früh, ein größeres Publikum erfolgreich zur Ekstase zu treiben, wie das nur ein paar Jahren später etlichen Bands dieser Art gelang. Ohne Zweifel jedoch gehören beide Alben zu den Großen ihrer Art, historisch betrachtet. Beide sind Highlights in der Reissue-Serie des britischen Esoteric Recordings Labels.
Die Aufnahmen der unabhängig voneinander veröffentlichten CDs sind digital remastert, in den Booklets neben der Story zur Band etliche Photos und Singlecover abgebildet. Die 2CD "The Early Years", 1991 unter dem Namen Dave Edmunds veröffentlicht, enthält viele der auf diesen beiden neuen CDs zu hörenden Songs. Die Klangqualität beider Produkte ist jedoch nicht miteinander vergleichbar, die Neuauflagen haben bedeutend mehr Klang und Volumen, der restaurierte Sound schlägt die alte Veröffentlichung um Längen.

esotericrecordings.com
VM



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