Guy LeBlanc "All The Rage" (Eigenproduktion 2004)

Guy LeBlanc ist Kopf und Keyboarder der kanadischen Progressive Rocker Nathan Mahl. "All The Rage", sein neues Werk, hat er komplett im Alleingang von Mai 2003 bis Mai 2004 geschaffen. Sämtliche Ideen stammen von ihm, jeder instrumentale Ton; er hat die Songs produziert, gemixt und gemastert. Einzig Natasha LeBlanc und Sylvie Dion singen Background Stimmen auf "The One Who Knows".
Das Layout der CD, das Booklet, Cover und Backcover sind komplett in Schwarz-Weiß samt diversen Grautönen gehalten. Und so düster, wie die Aufmachung, so anklagend, wie der Titel, so klingt auch sämtliche Musik. Das erste Stück, "Life on the Blade" ist der einzige instrumentale Track. In über 12 heftigen, düsteren Minuten, die spannend, dramatisch und geradezu bedrohlich wirken, entfaltet Guy LeBlanc eine kraftvolle Dynamik, der selbst der programmierte Drumcomputer nichts anhaben kann. Die Programmierung ist gelungen und passt in die Musik, zwar ist so ein Computer punktgenau und damit wenig dynamisch, fügt sich aber in den sehr emotionalen Klang des Stückes gut ein.
Der Titelsong "All the Rage" ist so dunkel und negativ wie nie ein Song des kanadischen Keyboarders zuvor. Im letzten Jahr war seine Frau schwer erkrankt, welche Folgen das hatte, ist mir unbekannt, aber gewiss hatte auch Guy damit heftig zu kämpfen. Zudem gibt es in der Welt derzeit genügend äußerst negative Themen, die nicht nur vom peinlichsten Präsidentendepp aller Zeiten (und die Amis hatten schon einige seltsame Präsidenten) ausgehen. "All the Rage" ist Wut, blanke Wut. Fast schon presst Guy seine Stimme als Grunt wie im Death Metal heraus, von einem enormen Druck transportiert, der tief erschauert. Das Stück hat einen bedrückenden Rhythmus, einen grausigen, fast schon metallisch harten Gitarrenklang und schwere Orgeltöne. Sein Gesicht im Booklet drückt Hoffnungslosigkeit, Nachdenklichkeit, Verletztheit, Verlorenheit aus. Eine Menge Zorn muss in ihm arbeiten, zudem ist der Text von "All the Rage" gleichzeitig eine Anklage auf den oftmals unbegründeten Zorn, der die Welt verbittert. Ein in diesem Ausdruck sehr starkes und beeindruckendes Lied!
Die folgenden Stücke sind längst nicht so düster und dramatisch, einige geben dem Begriff "Erschöpfung" Ausdruck, ohne dass die Songs matt oder öde klingen, nein, sie sind erstaunlich stark und geben diesem Wort tiefen Sinn. Wohl ist "All the Rage" ein Solo-Album geworden, weil die sonstigen Nathan Mahl - Alben niemals so tief emotional eingingen und diese Songs in die Songlandschaft der Band nicht passten; sicher auch, weil die Gefühle in der Musik so privat sind, dass Guy LeBlanc sie ganz allein ausdrücken, schaffen, strukturieren musste, um sie in aller Härte und Kraft zu spüren. Das ist ihm bedrückend gut gelungen. Guy LeBlanc hat die Gabe, düstere Stimmungen in Musik umzusetzen, ohne dass die Musik im Dauerrausch und Selbstmitleid selbst ganz tief unten ist. Nein, die Musik ist ein Spiegel des Zustandes, in dem Guy sich befand, als er die Musik machte und die Befreiung daraus zugleich. Wie immer sind die Songs sehr lang, die kompositorischen Ideen brauchen das auch, hier ist komplexes Material, ein aufwändiges melodisches Werk mit ungewöhnlich schweren Kompositionen zu hören. Hin und wieder sind einige Ideen leichter und fröhlicher, das ist auch bitter notwendig, um die dramatischen, aufwühlenden Songs ertragen zu können.
Wer wissen will, wie Genesis klingen würden, wenn sie Univers Zero gemocht hätten, kann hier nicht vorbei.

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nathanmahl.com
VM



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