Las Orejas Y La Lengua "La Eminencia Inobjetable" (Viajero Inmovil Records 2002)

Rogelio Corte, Fernando De la Vega, Nicolás Diab, Diego Kazmierski und Gato Leiras sind Las Orejas Y La Lengua. Für europäische Zungen kaum aussprechbar und doch melodisch, geradezu romantisch. Wie der Name setzt sich die Musik fort. Der Romantik ist einige Disharmonie hinzugefügt worden, und damit tut sich schwere Düsternis auf, die mit südamerikanischer Hand leicht genommen wird. Gefühlstiefe, sehr komplexe Musik, die trotz leicht starrem Aufbau keineswegs konstruiert klingt. Las Orejas Y La Lengua scheinen ein ausgeprägtes Faible für die Institution King Crimson (genauer zu deren ´74er Jahrgang) zu haben. Auf dem Foto sehen die 5 Musiker sehr jung aus, da haben sie wohl die Plattenschränke ihrer Eltern geplündert. Wie auch immer, sämtliche musikalischen Ideen auf "La Eminencia Inobjetable" sind grandios! Eine illustre Fülle wunderbarer Melodien offenbart sich. Die südamerikanische Progressive Rock - Szene ist zumeist sehr melodisch und bombastisch bis zum Kitsch. Las Orejas Y La Lengua spielen ihre Songs völlig anders. Knapp und klar auf den Punkt gebracht, die Gefühlspalette kräftig runtergeschraubt, kühl und rau - und doch hörbar südamerikanisch. Leichte folkloristische Ansätze setzen sich abstrakt fort, werden zum Beispiel in Song 2 mit 7 Gastmusikern im Chor kurios, komisch und kauzig umgesetzt. Melancholische Motive klammern sich zu stillen, fast schon ambienten Klängen. Naturlaute im Hintergrund, fetter Bass und knarzige Trompete - fertig ist ein Stück. Doch leicht hat die Band sich nichts gemacht. Anspruchsvolle Motive von schwer komplexer Gestalt klettern aus dem Lautsprecher, stete Wechsel schaffen Spannung. Eine heftige Passage mit rotziger Gitarre kratzt dissonante Laute, der Song spaltet sich und ein gänzlich harmonisches Flötensolo übersetzt den komplizierten Wechsel lyrisch und zurückgenommen. Glücksgefühle eröffnen sich mir. Eben noch schnoddert so ein beissend schräges Motiv sich durch, bis es von einer noch viel schrägeren Kapelle lyrisch, aber derb eingefangen wird. Die Gefühlswechsel sind krass und verblüffend. Wie die ganze Platte. Las Orejas Y La Lengua schieben sämtliche Perfektion gekonnt unter den Tisch und halten sich lieber an die Chaos-Theorie. Jeder Ton findet so seinen Platz, die vielen kleinen Disharmonien machen die große Harmonie. Der Lärm und die Stille sind hier besonders verquickt. Könnte ein echter Klassiker werden! Ich hoffe nur, dass es die Band überhaupt noch gibt. Zwar ist die CD gerade erst erschienen, die Stücke sind jedoch sämtlichst zwischen März und April 1996 aufgenommen worden. Ein weiteres Album ist mir nicht bekannt. Kein gutes Zeichen. Oder doch?

viajeroinmovil.com
VM



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