Lalle Larsson "Seven Deadly Pieces" (Weaveworld Music 2009)

Was haben Beethoven, Wagner, Bartok, Mussorgski und Stravinski mit Frank Zappa, Ralph Hubert und Steve Coleman zu tun? Ganz einfach, falls sie zusammen Musik komponiert hätten, könnten die "Seven Deadly Pieces" dabei herausgekommen sein! Zunächst fällt bei dieser äußerlich in schlichtem Schwarzweiß (plus Farbfeld in changierenden Rottönen) gehaltenen DVD das opulent gestaltete Innenleben auf. Gleich zwei Booklets liefern detaillierte Informationen zu den Hintergründen dieses Jahrhundertwerks, das lediglich von einem Menschen geschaffen wurde, allerdings einem überaus talentierten namens Lalle Larsson. (Diesen Namen wird man sich gut merken müssen, denn er ist auf dem besten Wege Zappas Erbe anzutreten.) Außerdem finden sich neben dem knapp einstündigen Monumentaltrack auf dem Silberling weitere Schmankerl wie diverse Duette (Klavier & Marimba), ca. eine Stunde Livematrial von Lalles Fusionband Ominox und ein ungefähr zwanzigminütiger Konzertausschnitt der Band Karmakanic, ebenfalls eine Wirkungsstätte von Lalle, sowie Biographie, Diskographie, Fotogallerie, ein etwa fünfzig Minuten dauerndes Portrait des Komponisten und ein Interview mit dem Gitarristen Todd Duane, der Interna bezüglich des genialischen Projekts Electrocution 250 zum besten gibt. Thematisch befassen sich die Pieces mit den sieben so genannten Todsünden, die man allerdings selbst bei Menschen mit blank geputztem Heiligenschein zuhauf entdecken kann, blickt man in der Welt der ehrenwerten Damen und Herren mal hinter deren glänzende Fassaden. Aber hier ist nicht der Ort, um über Doppelmoral und ähnliche Spitzen der Gesellschaft zu schwadronieren, geht es doch bei dieser instrumentalen Komposition um ein Gemälde aus Klang gewordenen Allegorien, an dem Hieronymus Bosch sicherlich seine dunkle Freude gehabt hätte. Jeder Sünde wird eine Farbe, ein Tier, eine Höllenstrafe sowie der passende Dämon zugeordnet. Zur Einstimmung in die gleichsam spirituelle Dimension des Geschehens ertönt zu Beginn des Prologes ein Gongschlag, dessen Verklingen ein Crescendo der gesamten 15köpfigen Band einläutet. Neben Lalle Larsson am Piano und Keyboard sind Niklas Fredin (Trompete, Flügelhorn), Jan Karlsson (Bass), Christofer Malmström und Stefan Rosqvist (E-Gitarre), Peter Wildoer (Schlagzeug), Johan Bridger und Thomas Widlund (Marimba, Vibraphon), Daniel Palsson und Jonas Holmberg (Percussion), Paul Slavic und Kristina Gustavsson (Violine), Anna-Karin Holm (Viola), Marit Sjödin (Cello) sowie Malin Pettersson (Flöte) bei diesem sonoren Höllenritt mit von der Partie. Gegen Ende des Prologes verliert sich das bedrohlich wirkende Forte mittels eines Decrescendos in mystischen Tiefen. Superbia kann ohne Übertreibung als eine Synthese aus Zappas Schaffen und dem Frühwerk Mekong Deltas bezeichnet werden, während Avaritia nicht mit jazzigem Flair geizt und bei einigen Unisonoparts an das höchst originelle Fugato Orchestra aus Ungarn erinnert. Luxuria bietet in geradezu verschwenderischem Maße perlende Pianopassagen, die mehrfach in einen narrativen Dialog mit der Trompete treten, untermalt von einem aus einer Zwölftonreihe bestehenden Ostinato der restlichen Band. Das Schlagzeug tritt mehr und mehr aus seiner rhythmusgeknechteten Funktion und moduliert das musikalische Gespräch mittels expressiven Beckenspiels. (Für einen Trommler sind dies absolut bewegende Momente!) Invidia strotzt vor mit in beneidenswerter Exaktheit gespielten Zwölftonclustern, wobei ein Streicher-Pizzicato und diverse Percussioninstrumente den Eindruck tröpfenden Wassers vermitteln. Spätestens jetzt ist man dem tonalen Zauber dieses Werkes total verfallen und aus diesem Grunde begierig darauf zu erfahren, welche musikalische Richtung die "Seven Deadly Pieces" mit Gula nehmen werden; kammermusikalische Verhaltenheit generiert bei diesem Stück fast schon lyrische Momente. Ira dagegen schafft mit seinem wütend dahin stampfenden Double Bass Groove am Schlagzeug einen gelungenen Kontrast und stellt den wohl vehementesten Fusiontrack dar, der mir jemals untergekommen ist, versehen mit einem Accelerando, das es in sich hat. In Acedia schließlich werden die Musiker nicht faul, ein Motiv aus Luxuria so geschickt zu variieren, dass man dessen mitunter erst nach mehrmaligen Hören gewahr wird. Aus dem Tutti-Feuerwerk am Anfang des Epilogs schält sich eine E-Gitarre heraus, untermalt von Stimmengewirr aus dem Off, um sich nach einiger Zeit wieder mit dem Ensemble zu vereinigen, was in weißem Rauschen ein jähes Ende findet. Quasi den Epilog des Epilogs bilden Lalles elegische Pianofiguren, die sich zu absolutem Schweigen erweitern - "Until Never". Stille sollte auch obwalten, wenn einem die Worte fehlen. Nur so viel sei an dieser Stelle noch erwähnt: Der "Yellow Shark" hat ein Geschwisterchen bekommen. Klingt doch gut, nicht wahr? Wer´s nicht glaubt, der höre!!!

lallelarsson.com
Frank Bender



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