Kopecky "blood" (Unicorn Digital 2006)

Prog Metal ist nach dem Hype der Mode längst ausgelutscht und von hunderttausend identisch klingenden Bands zu Tode gespielt worden. Sollte man meinen. Wenn es nicht Bands wie Kopecky gäbe, die einen ganz eigenen Ansatz verfolgen und das Genre für sich neu erfinden. Die Brüder Joe (g), William (b, key, sitar) und Paul Kopecky (dr, perc) sind außergewöhnlich technische und virtuose Musiker, die sich zudem seit den Windeln kennen und ein entsprechend einzigartig verschweißtes Team sind. Seit 1999 gibt es die Band, im gleichen Jahr kam das CD-Debüt heraus, ein Jahr später folgte "Serpentine Kaleidoscope", das ebenso wie der Erstling blöderweise ausverkauft ist, 2001 gab es das Live-Album "Orion", 2003 "Sunset Gun". Kopecky sind dabei von Label zu Label gewandert, waren beim italienischen Mellow, beim britischen Cyclops, bei M.A.C.E. Music und den Franzosen Musea. Bereits für das 2003er Album hatten (die Amerikaner) Kopecky bei den Kanadiern von damals noch Unicorn Records angefragt, doch Labelchef Michel St-Père musste absagen. Schön, dass Kopecky und Unicorn Digital nun zusammen gefunden haben. Beide Seiten werden positive Auswirkungen davon haben. Unicorn Digital hat ein weiteres sehr gutes Baby in der Familie, Kopecky greifen in die weltweit ausgebauten Strukturen Unicorns ein und können sich jetzt hoffentlich entspannt der Zukunft widmen, das erfolgreiche Label wohl hinter sich wissend.
Die 7 instrumentalen Stücke auf "blood" haben Metal-Härte, Progressive-Rock-Komplexität, Jazzmelodik-Abstraktion und in den episch verschlungenen Weiten emotionale Düsternis, die ungemein wirkungsvoll klingt. Die Songs sind zwar sehr technisch und von großen technischem Aufbau, wirken aber nicht kalt oder unnahbar, sondern gehen sofort und unmittelbar nahe. Geradezu überraschend, wie der vitale und spannungsreiche Opener "Garden of Immolation" gefangen nimmt. Die Bassfigur ist eingängig, darauf setzen Gitarre und Schlagzeug unisono rhythmisch akzentuierte Attacken, die schön schwer und dabei von vertrackter Struktur sind. Schwere Heavy-Songs sind in der Überzahl auszumachen, ebenso aber finden sich episch angelegte Stücke, die nicht unwesentlich auch Jazzharmonien transportieren. Die Stimmungen sind in "Infernal Desire Machine" tief, gehen von verträumter Lyrik über geradezu ambienter Versponnenheit bis in dynamische Heavyness, nicht auf eine irgendwie übliche Weise, sondern auf ganz eigene und berückende Weise. Der erste Longtrack "Windows" fließt mit epischem Motiv dahin, das wirkungsvoll einerseits in forsches Schwermetall und andererseits in melancholisches Wohlgefühl geführt wird.
"Blood", so meinen die Kopecky-Brüder, suggeriert Schönheit und Gewalt, Passion und das Leben selbst. Es ist ein Titel, der alle Gefühle und Stimmungen erreicht und für virtuose Musiker ein dunkles Experiment ist. Nach den 6 ersten Tracks spielt die Band im zweiten Longtrack "Opium" eine orgiastische Orgie zwischen fett abgefedertem Bombastmetal und psychedelisch verschrobenen Sounds. In der ersten Hälfte des Stückes ist das epische Motiv mit einem Rhythmus versehen, wie er in seiner breit angelegten Form gern von Zappa verwendet wurde, nur dass die Metalschwere in dieser Breite eher eindrücklichen Bombast zeichnet. Das Stück ist von ungeheurer Dynamik, die Band könnte ewig so weiter spielen. Zwar passiert melodisch nicht besonders viel, spielen die Brüder abstrakte, verschlungene Motive, aber der Rhythmus und die Schwere des Spiels und Klanges reißen mit. Mittendrin löst sich der Rhythmus auf und ab jetzt spielen die Kopeckys den Opiumrausch in Reinkultur bis zum fast schon mystisch schwerem Ende. Psychedelische Schwaden tuckern in düsterem Moll dahin, fast wie bei Pink Floyd zu Ummagumma Zeiten, aber eben nur fast.
Es gibt auf "blood" weniger Sitar als auf den früheren CDs, dafür sind die Songs erheblich technischer, metallischer, komplexer als zuvor. Dennoch ist der Vorgänger "Sunset Gun" von (anderer, aber) ebenso grandioser Qualität.
Ich möchte die CD nicht missen und kann sie nur unbedingt empfehlen, und keineswegs nur Progmetal-Fans.

kopecky.8m.com
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justforkicks.de
VM



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