Klaus Lang "missa beati pauperes spiritu" (col legno 2006)

Die Zelebrierung der Entschleunigung - gefühlte Stille mit Stil - wird erlebbar, führt man sich diese CD über Kopfhörer in einem abgedunkelten Raum zu Gemüte, wobei Langsamkeit hier mit einer Klangintensität einhergeht, die ich beispielsweise aus der sakralen Musik Asiens kenne. Pater Gerwig Romirer (Cantor), Natalia Pschenitschnikova (Stimme), Roland Dahinden (Posaune), Günter Meinhart (Percussion), Sophie Bansac (Viola), Cordula Grolle (Cello), John Eckhardt (Kontrabass) und Thomas Musil (Live-Elektronik) erzeugen ein akustisches Spannnungsfeld, das zwischen den Polen Intension und Extension nahezu bar jeglicher Intention oszilliert. Klang respektive Schwingung vermag der Ratio einen Knebel in den Mund zu stecken, der sie ruhig stellt, so dass innere Bilder in Fluss geraten und zu uns sprechen in einer Sprache, derer wir hoch kultivierten Gefangenen der binären Logik längst ver-lust-ig gegangen sind. Die vom Komponisten Klaus Lang verfasste verbale Introduktion, der quasi als Prolog ein Zitat Meister Eckeharts vorangestellt ist, berührt mich fast so stark wie seine Komposition und beschreibt dieses Phänomen meines Erachtens sehr pointiert. Uns "Westlern" fehlt die Religio zu unseren Ursprüngen. Was sind dagegen Quantensprünge in den Naturwissenschaften, wenn sie zu kurz(sichtig) springen. Ebenso wie viele Wissenschaftsdisziplinen, die an ihrer eigenen Hybris leiden, ohne dessen gewahr werden zu wollen, muss die Musik aus dem Käfig der Rationalität befreit werden, was den Protagonisten dieser Aufführung trotz aller Vorgaben gut gelingt. Besonders reizvoll gestaltet sich dabei das Wechselspiel der Stimmen, das den Menschen in seiner Facette des Homo ludens erscheinen lässt. Aber auch die Instrumente weben mit wechselnden Klangfarben am ätherischen Gespinst, das sich bei kon-zen-triertem Hören voll entfalten kann. Wer sich auf die Reise zu sich selbst begeben möchte, kann hier in bester schamanistischer Tradition tonale Unterstützung erfahren. Selig sind die, welche arm sind im Geiste...

col-legno.com
Frank Bender



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