KlangRäume

Live am 05.08.2006 auf Schloss Freudenberg, Wiesbaden

Die Spielstätte des Klangkonzerts, Schloss Freudenberg, trägt ihren Namen völlig zu Recht und ist, idyllisch gelegen in einem großen Park, der zusammen mit dem Schloss zugleich als Erfahrungsfeld für die Sinne fungiert, allemal eine Reise wert. Dieses Erfahrungsfeld fußt auf dem holistischen Weltbild des Philanthropen Hugo Kükelhaus und wird von der Gemeinnützigen Gesellschaft Natur und Kunst e.V. betrieben. "Der Feld-Weg", der den zum Homo ludens mutierenden Be-Sucher durch den Park führt, wird in der Philosophie mit dem Namen Martin Heidegger assoziiert, in dessen Gedankenwelt sich manche Parallele zu Kükelhaus entdecken lässt. In der Tat wird selbst, wer glaubte das Kindsein verlernt zu haben eines besseren belehrt, wenn er sich auf den Weg macht - der diesbezügliche Appell der Bergpredigt ist hier Programm! (Auf Schloss Freudenberg finden außerdem speziell auf Pädagogen zugeschnittene Fortbildungen für sinn(en)volles Lernen statt.) Werden andernorts Schlossgeister aus der Medien-Büchse der Pandora importiert, so herrscht hier eine als immanent zu bezeichnende be-geisternde Atmosphäre vor, die sich in um so stärkerem Maße auf die Gäste zu übertragen beginnt, je länger sie an diesem Ort der Be-Sinnung verweilen. Absolut signifikant (Wir sind in Deutschland!) ist auch die ungekünstelte Freundlichkeit sämtlicher MitarbeiterInnen, die ein Übriges zum Wohl-Fühl-Charakter beträgt.
Vor dem Konzert wurden die Zuhörer in humoriger Weise - auch der Un-Sinn gelangt hier zu seinem Recht - mit der Biographie des Schlosses vertraut gemacht; der morbide Charme der Vanitas, der zum Ambiente gehört, wurde dadurch um so deutlicher spürbar. Der Multiinstrumentalist Rigulf Nemitz spielte - oft mit geschlossenen Augen - unter anderem eine Vielzahl von Gongs, diverse Klangschalen und Flöten, Daiko, Steeldrum sowie ein kotoartiges Hybridinstrument. Eröffnet wurde der Reigen aber durch die fragil wirkenden Töne zweier Fingercymbals. Die Hauptrolle im Konzert spielten zweifelsfrei die Gongs, denen er in teils experimenteller Spielweise die unterschiedlichsten Klänge entlockte, die von zartem Pianissimo bis zu donnerndem Fortissimo reichten und so manchen der Anwesenden etwas erschreckten. Rigulf zelebrierte eine regelrechte Dramaturgie der Dynamik, die mich derart in ihren Bann zog, dass ich mehrmals tranceartige Zustände erlebte. Eine vergleichbare Wirkung hatte bisher nur Musik sogenannter klassischer Komponisten (vor allem "Vishnu" von Alan Hovhaness) und ein Konzert der Band IONA auf mich gehabt. Zeitweilig spielte Rigulf mehrere Instrumente simultan, z. B. Flöte und Steeldrum, die kein karibisches, sondern asiatisches Flair versprühte, oder Flöte und Gongs, so dass auch komplexere Klangstrukturen entstanden, worauf es in diesem Kontext aber überhaupt nicht ankam. Vielmehr ließ er manche Töne minutenlang ausklingen und gab damit Gelegenheit den Schwingungen nachzuspüren. Den Schlusspunkt setzten nach ca. 100 Konzertminuten, die wie im Fluge vergingen, wiederum die Fingercymbals. Rigulf wirkte als Meister des guten Tons absolut in seiner Mitte ruhend und brachte wohl sämtliche Zuhörer in Resonanz, denn einen solch frenetischen Applaus hätte ich beim besten Willen nicht erwartet. Auch nach dem Konzert standen einige der Anwesenden noch in Grüppchen zusammen und diskutierten angeregt ihre Klang-Erfahrungen. Meine Begleiterin bemerkte später, dass die fast schon als chronisch zu bezeichnenden Verspannungen in ihrem Nackenbereich deutlich geringer geworden seien - zumindest ein Indiz für die heilende Wirkung von Musik!
Klangkonzerte scheinen ein starkes Suchtpotential zu besitzen und so ist es mir ein Bedürfnis auf das am 10. November mit dem Gongvirtuosen Johannes Heimrath auf Schloss Freudenberg stattfindende Konzert hinzuweisen.

schlossfreudenberg.de
zhonglines.org
Frank Bender



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