|
King Of Agogik "Membranophonic Experience" (sAUsTARK Records 2006)
|
Der Schlagwerker Hans Jörg Schmitz aus Andernach war eine mir bis vor kurzem völlig unbekannte Perle im deutschen Musikkosmos und seine erste Solo-CD (der Nachfolger ist bereits in Planung) ist nichts weniger als ein Kunstwerk für die Ohren. Wer jetzt glaubt ich übertreibe, möge bitte die (Hör-)Probe aufs Exempel machen - der eigens sehr liebevoll gestalteten Website king-of-agogik.com sei Dank! Obwohl Herr Schmitz in selbstironischer Weise diese CD mit "a drummers little egotrip" untertitelt, holte er sich kompetente Hilfe: Volker Cornet, Pantelis Petrakakis und Dirk Wilms bedienen ebenso gekonnt wie songdienlich diverse Saiteninstrumente und adeln die Musik dadurch zusätzlich. Trotz der üppigen Spielzeit von 74 Minuten wird dieser Tonträger nicht eine Sekunde langweilig; daran sollten sich etliche "große Bands und Künstler" mal ein Beispiel nehmen. Hans Jörg Schmitz schließlich komponierte und arrangierte sämtliche Titel und spielte darüber hinaus neben dem Schlagzeug noch Keyboards und Gitarren ein; außerdem zeichnete er sich für Sounds und Samples verantwortlich. Nach einem kurzen Opener stellt bereits das vierzehnminütige "Mc Wok (Voyage To Innocence)" einen ersten Höhepunkt dar und glänzt durch permanente Stimmungswechsel wie ein Kronjuwel! Vox humana-Passagen wechseln mit yesartigen Parts (Rickenbackerīs alive!) und Zitaten aus der asiatischen Folklore, dass es eine wahre Freude ist. Diese Musik ist anscheinend so gut, dass kaum jemand an ihr interessiert zu sein scheint - das nennt man wohl (oder übel) immanente Logik, wenn man sich vergegenwärtigt, dass ein J.W. von Goethe sinngemäß sagte: "Wer Erfolg haben möchte, sollte allenfalls Mittelmaß produzieren!" Der trommeltechnisch recht anspruchsvolle Titeltrack ist ein Interludium von ca. einer Minute Länge - soviel zum Egotrip. Humor, auch angesichts etlicher collagierter Soundschnipsel, spielt im weiteren Verlauf eine tragende Rolle - die bereits erwähnte Selbstironie avanciert dabei regelrecht zu einer in unseren Tagen sehr selten gewordenen Tugend. (Wer sich als Schlagzeuger zum König der Agogik proklamiert, gibt ein beredtes Zeugnis hiervon, es sei denn, er weiß um die Bedeutung dieses musiktheoretischen Terminus technicus nicht in hinreichender Weise Bescheid, was in diesem Falle mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, denn das Timing des "Egotrippers" ist mehr als o.k.) Insofern könnte man Herrn Schmitz als einen von der Musik geküssten Vicco von Bülow bezeichnen, der mit Steve Vai und Mike Patton fleißig Pointen tauscht. Als echter Musikus(s) stellt der Protagonist niemals seine beachtlichen technischen Fähigkeiten zur Schau, sondern erzeugt ein stimmiges Ganzes, das selbst dem größten Musikgenius des zwanzigsten Jahrhunderts, Frank Zappa, ein anerkennendes Dauer-Grinsen ins Gesicht gezaubert hätte, dessen bin ich mir sicher. Selbst Zitate aus der Neoromantik erfreuen gelegentlich das Ohr des Rezipienten - welche Freude wäre es diese Klänge live - generiert von einem echten Orchester - erleben zu dürfen, aber das ist wohl im wahrsten Sinne des Wortes "Zukunftsmusik". Bevor ich jetzt auf jedes weitere Stück en detail eingehe und eventuell manch magischen Moment "zerrede", ergeht folgender Appell an alle geneigten Leser dieser Rezension: "Höret und staunet, aber vergesst darüber das Kaufen dieser CD nicht!" Ich für meinen Teil (divide et impera; herrschen möge der King Of Agogik, über dessen künftige Elaborate ich mich Euch gerne mit-teilen werde) kann es kaum erwarten die nächste Solo-CD von Hans Jörg Schmitz zu hören, vom dem es künftig außerdem noch mehrere Kollaborationen mit verschiedenen Musikern geben wird. Hoch lebe der König!!!
schlag-das-zeug.de
Frank Bender
Zurück
|
|